Rückblick auf das Jahr 2017 im GröschlerHaus

Die beste Nachricht für das Zentrum für Jüdische Geschichte und Zeitgeschichte der Region war seine Schließung im September 2017. Denn diese markierte den Beginn der lange erhofften, umfassenden Sanierungsmaßnahmen, die das bisherige Provisorium in der Großen Wasserpfortstraße 19 zu einem zeitgemäßen außerschulischen Lernort umgestalten sollen. Fußboden, Elektrik, Brandschutz, Heizung, Energetik, Toiletten, Fenster, Dach u.a.m. des Gebäudes, das an der Stelle der 1938 zerstörten Synagoge steht, müssen modernisiert werden. Dafür haben auf Initiative von Prof. Dr. Antje Sander vom Zweckverband Schlossmuseum die LEADER-Regionen Nordseemarschen und Südliches Friesland beträchtliche Mittel der Europäischen Union für die Förderung des ländlichen Raums bereitgestellt. Diese werden gegenwärtig im Rahmen des Projekts „Erinnerungsorte in Friesland“ investiert. Die Wiedereröffnung des Zeitgeschichtszentrums ist für den 15. April 2018 geplant. Dann sollen auch die Artefakte der zerstörten Synagoge präsentiert werden, die beim Abriss eines Schuppens im Hof gefunden wurden.

Kurz zuvor war der Ankauf des Gebäudes aus Privatbesitz durch die Hanna- und Elfriede-Heeren-Stiftung unter dem Dach der JaWir-Stiftungen erfolgt. Hiermit ist die weitere Existenz des GröschlerHauses, das durch eine Gruppe von Ehrenamtlichen betrieben wird, abgesichert.

Wegen der Schließung sanken naturgemäß die jährlichen Besucherzahlen, die in den Sommermonaten noch durch die Präsentation des eindrucksvollen Ölbilder-Zyklus „Reise nach Jerusalem“ der Essener Künstlerin Michaela Classen stark angestiegen waren. Durch eine Reihe von Veranstaltungen außer Haus wurde ein gewisser Ausgleich geschaffen. So suchten die Schulklassen einmal nicht den authentischen Gedenkort auf, sondern die Mitarbeiter des GröschlerHauses kamen mit dem Medienkoffer in der Schule vorbei. Jeweils zwei stark frequentierte Rundgänge durch das jüdische Jever bzw. Besichtigungen des jüdischen Friedhofs wurden angeboten. Zusammen mit den „Kinofreunden Friesland e.V.“ fand in der jeverschen „Filmpalette“ ein wissenschaftliches Seminar der Murnau-Stiftung mit Filmvorführung über den antisemitischen Hetzfilm „Jud Süß“ statt. Außerdem wurde der aktuelle Dokumentar-Spielfim „Die Unsichtbaren“ über untergetauchte junge Juden im Berlin der 1940er Jahre nach Jever geholt. Wie in jedem Jahr fand am 9.November in Kooperation mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit eine feierliche Kranzniederlegung an der Synagogengedenktafel statt. Der Historiker Dr. Georg Wagner-Kyora beleuchtete in einer vielbeachteten Rede, unter Bezug auf das laufende Reformationsjahr, Luthers Antijudaismus.

Sicherlich ein Höhepunkt war das spontane Benefizkonzert der bekannten amerikanischen Folksängerin Laura Wetzler am 28. Mai im Audienzsaal des Schlosses. Laura Wetzler befand sich auf Europa-Tournee und spürte gleichzeitig den Wurzeln ihrer vom Nationalsozialismus verfolgten Familie in Wilhelmshaven nach. Mitarbeiter des GröschlerHauses halfen ihr bei der Spurensuche und begleiteten sie durch die Stadt. Musikalisch wurde es auch im Oktober, als die Band „Hellhead“ 50 Exemplare ihrer CD „Denkmal“ mit dem gleichnamigen Song über die jeverschen Juden überreichte. Der Song wurde der vor dem Mahnmal für die ermordeten Juden in der Frl.-Marienstraße abgespielt. Leider musste ein Open-Air-Kultur-Festival „Musik gegen Rassismus“, dessen Planungen schon weit vorangeschritten waren, abgesagt werden, weil just auf diesen Tag ein kommerzieller Veranstalter ein Rockkonzert legte.

Das GröschlerHaus wird zunehmend Anlaufpunkt für Menschen aus dem Ausland auf den Spuren ihrer jüdischen Vorfahren. Insgesamt sechs kleine Reisegruppen bis hin zu Australien und Alaska wurden 2017 durch die Straßen Jevers geleitet. Die innerfamiliären Informationen sind durch die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands unwiederbringlich zerstört und die Überlebenden in alle Welt zerstreut worden. Das GröschlerHaus hilft mit seinen Informationen, Teile des Puzzles wieder zusammenzufügen.

Anlaufpunkt für neue Kontakte ist meist die Internetzeitschrift www.groeschlerhaus.eu, die jährlich über 40.000 Besucher aufweist und in der auch 2017 zahlreiche neue Artikel zur Landesgeschichte Frieslands erschienen sind. Die Seite stellt keine übliche Website dar, sondern ein eigenständiges Informationsangebot, das unabhängige Beobachter als fast einzigartig kennzeichnen. Die Internetartikel werden auch von Schulen im Rahmen des Unterrichts genutzt.

Das Jahr 2017 sah den Einstieg in die Schriftenreihe „Zur Geschichte des Nationalsozialismus und der Juden im Landkreis Friesland“, zu der sich als Herausgeber das GröschlerHaus, der Jeverländische Altertums- und Heimatverein e.V., das Schlossmuseum Jever und der Heimatverein Varel e.V. zusammengefunden haben. Als Nr. 1 erschien im Verlag Hermann Lüers in der Bearbeitung von Hartmut Peters und in der Übersetzung von Linda Robbins-Klitsch in einer zweisprachigen Ausgabe der Bericht der jeverschen Jüdin Änne Gröschler „Aus dieser schweren Zeit“ / About these Hard Times“ von 1945. Weitere Veröffentlichungen in der Reihe stehen unmittelbar bevor.

Im Januar 2017 erhielt das GröschlerHauses einen Award der renommierten amerikanischen Obermayer-Stiftung, die mit dem Leo-Baeck-Institut zusammenarbeitet. Die Ehrung im Berliner Abgeordnetenhaus galt dem jahrzehntelangen Engagement von Volker Landig und Hartmut Peters beim Aufbau der regionalen Erinnerungskultur. Die Auszeichnung führte zu einem spürbar höheren Bekanntheitsgrads des GröschlerHauses und seiner Internetzeitschrift und zu vielen Kontakten.

Der Arbeitskreis GröschlerHaus arbeitet zur weiteren Entwicklung der Einrichtung und im Rahmen des Projekts „Erinnerungsorte in Friesland“ intensiv mit Prof. Dr. Antje Sander und Holger Frerichs vom Schloss-Museum Jever zusammen. Er kooperiert u.a. mit dem Netzwerk „jüdisches Ostfriesland“, der Bildungsregion Friesland, den Kinofreunden Friesland e.V., dem Verein der Freunde der Sinti und Roma e.V. Oldenburg und erhält gute Unterstützung aus Bevölkerung, Politik und Verwaltung.

Für ihre konkrete Arbeit sind die Ehrenamtlichen nach wie vor auf Spenden aus der Bevölkerung angewiesen, die aufgrund der gegenwärtigen Schließung leider zurückgegangen sind.

H. Peters, 2.1.18

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