Rückblick des Arbeitskreises GröschlerHaus auf das Jahr 2019

Im Mittelpunkt des Jahres 2019 standen zwei Ausstellungseröffnungen und eine Umstrukturierung der ständigen Ausstellung. Zunächst wurde vom 31. März bis 15. August die Wanderausstellung: „Unter uns? Sinti in Ostfriesland“ des Heimatmuseums Leer und des dortigen 1. Sinti-Vereins Ostfriesland e.V. gezeigt. Die Ausstellung ergänzten zwei gut besuchte Veranstaltungen mit Vertretern des Sinti-Vereins, die sich speziell an Schulen richteten. Mit dieser Dokumentation der Geschichte und der Gegenwart der Sinti in Ostfriesland rückte ein bisher wenig beachteter Teil der Regional- und Landesgeschichte in den Blick und regte die Mehrheitsgesellschaft an, einmal einen Perspektivwechsel vorzunehmen.

Am 1. September – 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen und damit des Beginns des Zweiten Weltkriegs – eröffnete unter großer Beteiligung der Bevölkerung die umfangreiche Ausstellung „Aufrüstung, Krieg und Befreiung im Jeverland: 1933 bis 1945“. Sie wurde durch die entschiedene Förderung des Schloss-Museums und durch Spendengelder an das GröschlerHaus möglich und wird noch bis zum August 2020 gezeigt. Wenig später erschien der gleichnamige Katalog zur Ausstellung, der die Aktualität des historischen Themas durch das gewählte Format einer Tageszeitung betont.

Gleichzeitig wurde die bereits bestehende Ausstellung über die jeversche Synagoge, auf deren Grundmauern ja das GröschlerHaus steht, und die jüdische Gemeinde neu gestaltet und als Basis-Ausstellung unter dem Titel „Was blieb“ im östlichen Teil des Raumes neu zusammengefasst. Als Besonderheiten werden die beim Umbau des Jahres 2018 gefundenen Reste vom Brand der Synagoge 1938 und die Keller-Mikwe präsentiert.

Im Jahr 2019 haben rund 1.600 Besucher das GröschlerHaus besucht, darunter eine Reihe Schulklassen sowie Besuchergruppen aus dem kulturellen und politischen Leben der Region. Die Führungen erfolgen durch die Mitglieder des Arbeitskreises. Volker Landig und Uta Esselborn boten 2019 erneut auch Führungen über den jüdischen Friedhof und durch das jüdische Jever an.

Durch Veranstaltungen im GröschlerHaus, aber auch an anderen Bildungsstätten wie z.B. der Volkshochschule Wilhelmshaven wurden weitere rund 400 Besucher erreicht. So musste beim Vortrag des Historikers Heiko M. Pannbacker am 17. September über das Thema „Wie der Jazz unter die Nazis geriet“ u.a. der umgedrehte Papierkorb als Sitzgelegenheit herhalten.

Nach dem Mordanschlag auf die Synagoge von Halle Anfang Oktober 2019 gehörte der Arbeitskreis zu den Initiatoren einer spontanen Kundgebung gegen Gewalt und Antisemitismus. Das Gedenken an den Pogrom vom 9. November 1938, für dessen jährliche Organisation die Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit zuständig ist, wurde unterstützt und durch eine eigene Veranstaltung zum Thema „Jüdische Frauen während des Progroms“ und die Präsentation eines interaktiven Hörspiels von Gina Bremer über den Pogrom in Jever ergänzt.

Der Arbeitskreis GröschlerHaus, organisert im Jeverländischen Altertums- und Heimatverein e.V., besteht gegenwärtig aus zwölf Ehrenamtlichen. Für die Arbeitskreismitglieder, ihre Freunde und die teilnehmenden Repräsentanten des öffentlichen Lebens war sicherlich die Bar Mitzwa Feier von Jacob Rumens aus Northampton am 26. August ein Höhepunkt. Jacob ist ein Urenkel des Ehepaars Julius und Hedwig Gröschler, das die Nationalsozialisten 1944 in Auschwitz ermordeten. Nach dem Novemberpogrom 1938 gelang es dem Ehepaar noch, die beiden Söhne nach England in Sicherheit zu bringen. 1984 kam Frank Gale (Fritz Gröschler) zusammen mit seiner Ehefrau und den beiden Töchtern zurück nach Jever. Er folgte der Einladung der Initiative „Juden besuchen Jever“ am Mariengymnasium. Nach dem Tod des Vaters im Jahre 1997 hielten die Töchter den Kontakt zu Jever. 2014 nahmen sie zusammen mit ihren Kindern an der Namensgebungsfeier für das Gröschler-Haus teil. Als Lori und Paul Rumens ihren Sohn fragten, wie er sich denn nun sein Bar Mitzwa vorstelle, war dessen klare Antwort: „In Jever“. Einfacher wäre es in England gewesen. So nahm ein nicht leicht zu organisierendes Vorhaben seinen Lauf, das das GröschlerHaus für wenige Stunden in eine Synagoge verwandelte. Über die Veranstaltungshektik wurde übrigens der 5. Jahrestag der Eröffnung des Gröschlerhauses (29. September 2015) schlichtweg vergessen.

Nach dem liturgischen Teil der Bar Mizwa von Jacob Rumens spielte am 26. August der Oldenburger Liedermacher Iko Andrae zum Tanz auf.

Auch in weiteren Monaten des Jahres besuchten Nachkommen jeverscher Juden die Marienstadt auf den Spuren ihrer Vorfahren, sie kamen aus Kanada, England, den Niederlanden und Australien. Als Hartmut Peters für sein ehrenamtliches Engagement in der Geschichtsaufarbeitung am 7. Mai das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde, war Prof. Dr. Bob Löwenberg aus Rotterdam, ein Enkel des in Bergen-Belsen umgekommenen vorletzten Vorstehers der jeverschen Synagogengemeinde Hermann Gröschler, einer der Laudatoren.

Durch persönliche Kontakte fanden auch weiterhin wichtige Fotos und Dokumente ihren Weg in das Archiv des Zeitgeschichtszentrums. Die Kontaktaufnahme kam meist über die Internetzeitschrift groeschlerhaus.eu des Arbeitskreises zustande. Die Mitarbeiter beantworteten außerdem zahlreiche Anfragen aus dem In- und Ausland. 2019 nutzten 32.000 Besucher mit 96.000 Aufrufen die Seite, eine vergleichsweise stattliche Bilanz. Das Portal erinnerungsorte-friesland.de des Schloss-Museums ist mit der Internetzeitschrift eng verbunden. Die Portale bieten eine interaktive Landkarte Frieslands der Erinnerungsorte und an die 150 Informationsartikel sowie viele weitere Angebote zur Landesgeschichte. So sind z.B. sämtliche Tafeln der aktuellen Ausstellung als PDF hier verfügbar. Wegen des großen Interesses an Fritz Levy, dem letzten Juden Jever, bietet das GröschlerHaus seit kurzem auch die Website www.fritzlevy.de angeboten.

Das GröschlerHaus baute 2019 sein Netzwerk weiter aus und kooperierte u.a. wie schon in den Jahren zuvor mit den Kinofreunden Friesland e.V. in der Reihe „Der besondere Film“ und ist als außerschulischer Lernort im Verbund der fünfzehn Lernorte in der „Bildungslandschaft Landkreis Friesland“ aktiv. Über das Bildungsbüro des Landkreises können Fahrten von Schulklassen zum GröschlerHaus finanziell gefördert werden. Mehrfach konnte das Team befreundete Initiativen durch wissenschaftliche Recherchen und Kontakte unterstützen, wie z.B. bei der Einweihung der Gedenkstele für die sogenannten Exodus-1947-Juden am 6. September in Sengwarden.

Der Historiker Heiko M. Pannbacker aus Hannover während seines sehr gut besuchten Vortrags zum Thema „Wie der Jazz unter die Nazis kam“ am 17. September.

In der Reihe „Schriften zur Geschichte des Nationalsozialismus und der Juden im Landkreis Friesland“ konnten 2019 im Verlag Fuego, Bremen, unter dem Titel „Das offene Versteck“ die Erinnerungen von Robert de Taube veröffentlicht werden.

Das GröschlerHaus erfährt nach wie vor große Unterstützung durch den Landkreis Friesland, die Stadt Jever, den Zweckverband Schloss-Museum Jever, das Schloss-Museum und durch viele Förderer aus der Zivilgesellschaft und fast allen politischen Parteien. Ohne sie alle könnte die Geschichtsarbeit, die im Grunde Arbeit für unserer demokratische Gegenwart ist, ideell und finanziell gar nicht aufrechterhalten und weiterentwickelt werden können. Ihrem Schulterschluss gilt der Dank in gesellschaftlich und politisch schwieriger Zeit.

Hartmut Peters

 

Das GröschlerHaus in der Gr. Wasserpfortstraße 19, Jever, ist regelmäßig geöffnet Dienstag und Freitag von 10 bis 12 Uhr und Donnerstag von 16 – bis 18:30 Uhr. Weitere Öffnungszeiten und Führungen für Gruppen können über 04461-964426 oder info@groeschlerhaus.eu vereinbart werden. Weitere Informationen über www.groeschlerhaus.eu sowie www.erinnerungsorte-friesland.de.

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