Das Jahr 2020 stand auch für das GröschlerHaus Jever – Zentrum für jüdische Geschichte und Zeitgeschichte der Region – im Zeichen der Schließungen auch kultureller Einrichtungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Es schloss am 15. März 2020 seine Pforten, war in Sommer und Herbst mit einem Hygiene-Konzept drei Monate offen und ist seit dem 1. November in Umsetzung der Bund-Länder-Beschlüsse zur Bekämpfung der Pandemie erneut nicht zugänglich. Mehrere geplante öffentliche Veranstaltungen zu zeitgeschichtlichen Themen mussten abgesagt werden. Eine zusammen mit der „Bildungsregion Friesland“ und dem Schlossmuseum Jever ausgeschriebene Lehrerfortbildung zur Nutzung außerschulischer Lernorte in Jever musste verschoben werden.
Im Jahr 2020 haben deshalb lediglich rund 400 Besucher – 25 Prozent des Vorjahres – ihren Weg in Ausstellungen und Veranstaltungen des GröschlerHauses gefunden, darunter eine Reihe Schulklassen, Besuchergruppen aus dem kulturellen und politischen Leben der Region und erstmals auch der Bundeswehr. Die Führungen erfolgen durch die Mitglieder des ehrenamtlichen Arbeitskreises GröschlerHaus im Jeverländischen Altertums- und Heimatverein. Auch 2020 wurden Führungen über den jüdischen Friedhof in Schenum und durch das jüdische Jever angeboten. Ein Mitglied des Arbeitskreises stand einem Leistungskurs Deutsch am Mariengymnasium Jever als Zeitzeuge der „1968er Studentenbewegung“ zur Verfügung.
Wenn das GröschlerHaus wieder Besucher empfangen darf, wird bis auf Weiteres die bereits im September 2019 eröffnete Ausstellung „Aufrüstung, Krieg und Befreiung im Jeverland: 1933 bis 1945“ zu sehen sein. Zu ihr ist ein Katalog erschienen, der die Aktualität des historischen Themas durch das gewählte Format einer Tageszeitung betont. Gleichzeitig wurde die Ausstellung über die jeversche Synagoge, auf deren Grundmauern das GröschlerHaus steht, und die jüdische Gemeinde neu gestaltet und als Basis-Ausstellung unter dem Titel „Was blieb“ im östlichen Teil des Raumes zusammengefasst. Als Besonderheiten werden die beim Umbau 2018 gefundenen Reste vom Brand der Synagoge 1938 und die Keller-Mikwe präsentiert. Über das Bildungsbüro des Landkreises können Fahrten von Schulklassen zum GröschlerHaus finanziell gefördert werden.
Das Gedenken an den Pogrom vom 9. November 1938, für dessen jährliche Organisation die Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit zuständig ist, fand 2020 in einem ganz kleinen Kreis vor dem GröschlerHaus statt.
Auch in den wenigen dafür zur Verfügung stehenden Monaten des Jahres 2020 besuchten Nachkommen jeverscher Juden die Marienstadt auf den Spuren ihrer Vorfahren. Durch persönliche Kontakte fanden auch weiterhin Fotos und Dokumente ihren Weg in das Archiv des Zeitgeschichtszentrums. Die Kontaktaufnahmen kamen meist über die Internetzeitschrift groeschlerhaus.eu des Arbeitskreises zustande. Die Mitarbeiter beantworteten außerdem zahlreiche Anfragen aus dem In- und Ausland.
Im Corona-Jahr stieg die Besucherzahl der Internetzeitschrift groeschlerhaus.eu mit fast 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr deutlich an. 42.000 Besucher mit 140.000 Aufrufen wurden gezählt – eine vergleichsweise stattliche Bilanz. Das Portal erinnerungsorte-friesland.de des Schloss-Museums ist mit der Internetzeitschrift eng verbunden. Eine interaktive Landkarte der Erinnerungsorte in Friesland und rund 150 Informationsartikel sowie viele weitere Angebote zur Landesgeschichte stehen hier kostenfrei zur Verfügung. So sind z.B. sämtliche Tafeln der aktuellen Ausstellung im PDF verfügbar. Wegen des ungebrochen großen Interesses an Fritz Levy, dem letzten Juden Jever, bietet das GröschlerHaus auch die Website fritzlevy.de an.
In der Reihe „Schriften zur Geschichte des Nationalsozialismus und der Juden im Landkreis Friesland“ kamen 2020 die als Hardcover vergriffenen Erinnerungen der jeverschen Jüdin Änne Gröschler als Taschenbuch heraus („Aus dieser schweren Zeit“, Verlag Fuego, Bremen). In der 2017 begründeten und u.a. vom GröschlerHaus geförderten Reihe erschienen bisher zwölf Titel. 2020 veröffentlichte hier Holger Frerichs die „Biografie Erich und Ruth Levy“ und „Der jüdische Friedhof in Varel-Hohenberge“ sowie – unter Mitwirkung von Christiane Baier und Antje Sander – „Spurensuche im Schlossmuseum Jever“.
Die Journalistin Blanka Weber erarbeitete nach aufwändigen Recherchen ein 25-minütiges Audio-Feature über den jüdischen Landwirt Robert de Taube aus Horsten und die Arbeit des GröschlerHauses, das im Dezember mehrfach im Rundfunk gesendet wurde („Juden zwischen Jever und Wilhelmshaven“).
Das GröschlerHaus erfährt nach wie vor große Unterstützung durch den Landkreis Friesland, die Stadt Jever, den Zweckverband Schloss-Museum Jever, das Schloss-Museum, den Jeverländischen Altertums- und Heimatverein und von vielen Förderern aus der Zivilgesellschaft und fast allen politischen Parteien. Ohne sie könnte die Geschichtsarbeit, die Arbeit für die demokratische Gegenwart ist, ideell und finanziell gar nicht aufrechterhalten und weiterentwickelt werden.
Hartmut Peters