17. April 1893 Wihelmshaven – 2. Juni 1959 Jever
Eva Basnizki, geb. Hirche
16. Juni 1933 Jever – 5. Jan. 2016 Israel
Wohnort in Jever: Blaue Straße 1, Alter Markt 16
„Meine frühe Kindheit war immer mit viel Aufregung verbunden. Wir mussten wegen der zunehmenden Feindseligkeit den Juden gegenüber mehrmals umziehen. Meine Erinnerungen an die Blaue Straße sind besonders schwer, da meine Mutter und ich dauernd den antisemitischen Belästigungen der Nachbarschaft ausgesetzt waren. Ich weiß noch, als Vier- bis Fünfjährige so verängstigt gewesen zu sein, dass ich mich allein nicht mehr auf die Straße wagte. Es gab auch nette Nachbarn, die uns noch wie Menschen behandelten. Der ewigen Drohungen der Nazis wegen mussten sie sich aber bald zurückhalten.
Die Kristallnacht werde ich wohl kaum vergessen. Gegenüber von uns brannte die Synagoge lichterloh, uniformierte S.A.-Horden tobten in den Straßen und in der Wohnung über uns warf man bündelweise Wäsche und Silber aus den Fenstern in einen Lastwagen. Gegen morgen wurde auch meine Mutter verhaftet. Eine Nachbarin hatte die Gestapo daran erinnert, dass sie noch eine „Judenziege“ vergessen hätten.“
(Eva Basnizki: Teils-Lebensgeschichte. – 1981)
Eva Basnizki war das einzige Kind der Jüdin Erna Hirche, geb. Schiff und des nichtjüdischen Elektromechanikers Adolf Hirche (1901 Wilhelmshaven – 1981 Israel) und ev.-lutherisch getauft. Die NS-Rassengesetze brandmarkten eine solche Verbindung als „Mischehe“ und Eva als „Mischling“. Erna Hirches Schwester Margarete Magnus geb. Schiff (1889 Gröbzig – 1944 Theresienstadt) war in Wilhelmshaven mit dem jüdischen Marineoffizier Gottlieb Magnus (1883 Hannover – 1942 Auschwitz) verheiratet.
Anfang 1940 vertrieben die Nationalsozialisten alle Juden des Bezirks Weser-Ems in Großstädte westlich des Rheins mit Ausnahme der in „Mischehe“ lebenden. Erna Hirche war jetzt die fast einzige Jüdin in Jever. Wegen eines kleinen Zimmerbrands in der Etage ihrer Wohnung in der Blauen Straße 1 am 14. März 1940 wurde sie wegen angeblicher Brandstiftung zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. Das erfolgreiche Wiederaufnahmeverfahren nach 1945 schloss einen antisemitischen Brandanschlag nicht aus. Eva kam nun bis zu deren Deportation 1942 bei dem inzwischen in Hamburg wohnenden Ehepaar Margarete und Gottlieb Magnus und später bei Pflegeeltern in Quickborn unter.
Die Position von Juden in „Mischehen“ war wegen ständig veränderter Richtlinien und behördlicher Willkür undurchschaubar. Als vorbestrafte Jüdin war Erna Hirche besonders gefährdet. Sie konnte zeitweilig ihre Identität im anonymen Hamburg verschleiern, musste aber – ausgebombt – 1943 nach Oldenburg umziehen, wo die Tarnung schnell aufflog. Mutter und Kind versteckten sich nun beim Vater, der als Filmvorführer auf dem Dachboden des Kinos im „Concerthaus“ am Alten Markt hauste. Um an Lebensmittelkarten zu gelangen, meldeten sie sich Anfang 1944 polizeilich an. Adolf Hirche stand zu Frau und Tochter, auch als er als „jüdisch Versippter“ im September 1944 in die Zwangsarbeit verschleppt wurde. Eine Scheidung hätte die sofortige Deportation der Ehefrau nach sich gezogen.
Anfang Februar 1945 erhielt diese den Befehl zur Deportation nach Theresienstadt. Die Familie Badberg im Ibenweg nahm die Tochter auf. Nach einem Suizidversuch war Erna Hirche bis kurz vor Kriegsende im Landeskrankenhaus Wehnen untergebracht. Eva Basnizki: „Am 6. Mai 1945 fuhren die englischen Lastwagen und Panzer in Jever ein und ich war das erste Mal in meinem Leben frei und ohne Angst.“ (Interview, 1996, Jever)
1957 wanderte sie mit ihrem Ehemann Georges Basnizki, der in einem belgischen Kinderheim den Holocaust überlebt hatte, nach Israel aus und holte nach dem Tod der psychisch immer kränker werdenden Mutter den Vater nach. Die Journalistin und Lyrikerin war ab 1984 häufig zu Besuch in Jever.
Weitere Informationen über Erna Hirche und Eva Basnizki:
Eva Basnizki – Erinnerungen eines „Mischlings 1. Grades“ an Jever und Hamburg (1933-1945)