Jever: Der jüdische Friedhof

Das Eingangstor des Jüdischen Friedhofs von Jever (Foto Dieter Peters, 2007)
Das Eingangstor des Jüdischen Friedhofs von Jever (Foto Dieter Peters, 2007)

Der Friedhof liegt ca. 3 km vom Stadtzentrum entfernt im Ortsteil Hohewarf-Schenum an der Südseite der Schenumer Straße nach Cleverns. Er weist auf 1.618 qm 220 sichtbare Grabsteine auf, der älteste stammt von 1796, der jüngste von 1982. Der Friedhof ist ein steinernes Buch der jüdischen Geschichte Jevers von den Anfängen bis in die Gegenwart und steht im Rahmen einer Führung durch Mitarbeiter des GröschlerHauses zur Besichtigung offen.

Die Ansiedlung von Juden in Jever begann Ende des 17. Jahrhunderts unter der Herrschaft der evangelischen Fürsten von Anhalt-Zerbst (1667 – 1793). 1698 erhielt Meyer Levi einen Schutzbrief, der ihm den Handel und Kreditgeschäfte ermöglichte, Immobilienerwerb aber untersagte. Die Anzahl der Juden wie auch ihre Religionsausübung wurden lange streng reglementiert. Im Jahre 1776 vollzog der Landesherr eine Kehrtwende gegenüber Katholiken und auch Juden, indem er religiöse Toleranz gewährte, um den Zuzug von Kaufleuten, Handwerkern und Soldaten zu fördern und damit seine Einnahmen zu erhöhen. 1780 begründete sich die jüdische Gemeinde formal und erwarb das Friedhofsgelände. Der älteste hier nachweisbare Grabstein stammt aus dem Jahr 1796, ältere werden im Boden des erhöhten hinteren Teils vermutet. Es ist ungeklärt, ob zuvor in der jeverschen Vorstadt ein jüdischer Friedhof bestanden hat oder ob in Neustadtgödens oder Wittmund bestattet wurde.

Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war die Gemeinde zur größten auf der ostfriesischen Halbinsel hinter Emden und Norden angewachsen und besaß seit 1802 eine neu gebaute Synagoge. Auch die Juden Kniphausens, die sich 1797 eine Gemeindordnung gaben, beerdigten ihre Toten in Jever, später auch, bis 1907 der Friedhof Schortens-Heidmühle entstand, die Juden aus Bant bzw. Rüstingen und Wilhelmshaven. 1841 wurde das Friedhofsgelände erweitert. Einige bekannte Persönlichkeiten der jeverschen Geschichte wie z. B. die Kaufleute und Kommunalpolitiker Anton Mendelsohn (1821 – 1901) oder Simon Gröschler (1851 – 1938) liegen hier begraben. Auf zwei Grabsteinen finden sich Hinweise auf jüdische Gefallene des Ersten Weltkriegs.

Der ehemalige Landesrabbiner von Oldenburg und spätere amerikanische Religionsprofessor Leo Trepp (1913 – 2010) am 15. Nov. 2000 zusammen mit Pastor Volker Landig auf dem Friedhof (Foto H. Peters)
Der ehemalige Landesrabbiner von Oldenburg und spätere amerikanische Religionsprofessor Leo Trepp (1913 – 2010) am 15. Nov. 2000 zusammen mit Pastor Volker Landig auf dem Friedhof (Foto H. Peters)

Die drittletzte Beerdigung in der NS-Zeit war die des 101-jährigen Joseph David Josephs (1835 – 21.12. 1936), des langjährigen Gemeindevorstehers und Mitglieds des Stadtrats, an der auch der Oldenburger Landesrabbiner Leo Trepp teilnahm. Bevor die Juden Jevers 1940 vertrieben und im Osten Europas ermordet wurden, fanden in Schenum noch Louis Hoffmann (1864 – 2.12.1937) und der erwähnte Simon Gröschler (gest. 13.1.1938) ein Begräbnis. In der Nachkriegszeit erfolgten nur drei Beerdigungen: Ruth Luise Levy geb. Seecamp (1960), Erich Levy (1967) und zuletzt Friedrich (Fritz) Levy (gest. 25.10.1982).

Die Nationalsozialisten stießen fast sämtliche Grabsteine um und beschädigten zahlreiche Grabumfriedungen. Vermutlich wegen der entlegenen Lage des Friedhofs wurden aber nur wenige Steine geraubt. Nach der staatlich verfügten Auflösung der jüdischen Gemeinden und der Enteignung ihrer Grundstücke ging der Friedhof an die Stadt Jever über. Der Bürgermeister konnte den seit März 1944 verfolgten Plan, den Friedhof aufzulösen und das Gelände zur Lagerung von Straßen- und Baumaterialien zu verwenden, wegen der Niederlage Deutschlands 1945 nicht mehr durchführen.

Der Grabstein von Friedrich (Fritz) Levy (1901 – 1982), des „letzten Juden von Jever“, im September 2014 (Foto H. Peters)
Der Grabstein von Friedrich (Fritz) Levy (1901 – 1982), des „letzten Juden von Jever“, im September 2014 (Foto H. Peters)

Der unmittelbar nach Kriegsende aus Berliner Zwangsarbeit zurückgekehrte, „arisch“ verheiratete Erich Levy (1891 – 1967) wurde 1946 von der Militärregierung als Vertrauensmann für alle jüdischen Angelegenheiten im Kreis Friesland eingesetzt. Levy ließ 1947 den geschändeten Friedhof auf Kosten der Stadt wieder herrichten. Auf ihm errichtete Levy aus eigenen Mitteln ein Mahnmal aus Feldsteinen für die Opfer des Holocaust. Ein weiteres Mahnmal folgte 1961 für die zerstörte Synagoge, in das die Grundsteine der Synagoge von 1880 integriert wurden. Auf seinem eigenen Grabstein hinterließ Levy ein klares Zeugnis über die NS-Zeit. Auf dem Friedhof erinnern außerdem drei von überlebenden Verwandten hinzugefügte schriftliche Ergänzungen bestehender Grabanlagen an einzelne Ermordete der NS-Zeit. Erst 1978 brachte die Stadt Jever, dazu von der Ev. Kirchengemeinde veranlasst, eine kleine Gedenktafel an der Stätte der Synagoge und damit im öffentlichen Raum an. Allein Verfolgte des Naziregimes selbst gedachten jahrzehntelang der ausgelöschten jüdischen Gemeinde in friedhöflicher Abgeschiedenheit; das übliche Resultat der langen Herrschaft der Täter und der Verdrängung in Nachkriegsdeutschland.

Als 1952 der Vermögenswert des Grundstücks auf die „Jewish Trust Corporation“ übertragen wurde, versuchte die Stadt Jever mit dem Argument, sie habe seit 1947 den Friedhof gepflegt, Kosten zu sparen. Jedoch wurde die Aufstellung und Ausbesserung der umgeworfenen Grabdenkmäler als Wiederherstellung gewertet. 1960 ging der Friedhof auf den Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen über. Um die Strauchpflege kümmert sich seit 1976 die Gärtnerei des ev. Friedhofs von Jever. 2011 wurde die Standsicherheit aller Grabsteine, die häufig aus mehreren Teilen bestehen, aufwändig durch ein Fachunternehmen saniert.

Auf Einzelquellennachweise wurde verzichtet. Autor: H. Peters 3/2015

Quellen

  • Die jüdischen Friedhöfe im Oldenburger Land: Bestandsaufnahme der erhaltenen Grabsteine.- Oldenburg 1983 Die Fotos wurden 1979/80 hergestellt.
  • Meiners, Werner; Peters, Hartmut: Artikel „Jever“.- In: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen. – Göttingen 2005 (Bd. 2, S. 908 ff.)
  • Peters, Hartmut: Die „Reichskristallnacht“ in Jever und die Geschichte der jeverschen Synagogen.- Jever 1992 [textidentisch mit ders.: Artikel „Jever“.- In: Die Synagogen des Oldenburger Landes. Hg. v. Enno Meyer.- Oldenburg 1988, S. 41 – 121]