Jever: Erinnerungsort Sophienstift

Das im Jahre 1862 eingerichtete Sophienstift war bis zum Jahr 2006 „das“ Krankenhaus und „die“ Geburtsstation für Jever und Umland. Heute befindet sich in dem stilvollen Gebäude eine Seniorenresidenz.

Es folgen Artikel, die an die nationalsozialistische Zeit des idyllisch am Schlossgraben gelegenen Traditionsbaus erinnern – an Zwangssterilisierung und Euthanasie, aber auch an unterlassene medizinische Versorgung. 1944 erlag dort zum Beispiel der Zwangsarbeiter Stanislaw Czubinski seiner Schussverletzung – eine Operation kam für ihn als Polen nicht in Frage.

Zwangssterilisationen

Im Sophienstift in Jever wurden aufgrund des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses” zwangsweise Unfruchtbarmachungen durch den Arzt Dr. Berner durchgeführt. 1935 erfolgte ein Verbot solcher Eingriffe für das Sophienstift, da es, so heißt es im Jahresbericht des Gesundheitsamtes Friesland, im Land Oldenburg für diese Maßnahmen in „genügender Zahl geeignete Klinken“ gab, wie z.B. das Peter-Friedrich-Ludwig-Hospital in Oldenburg.

In der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen bei Bad Zwischenahn starben in den 1940er Jahren mindestens 1.500 Menschen durch intentionale Mangelernährung, Entzug der Pflege, mangelnde medizinische Betreuung, Auskühlung der Krankenräume und in Einzelfällen auch Medikation. Darunter befanden sich nachweislich auch erkrankte Menschen aus dem Landkreis Friesland, die in das Landeskrankenhaus durch Ärzte und das Gesundheitsamt in Jever überwiesen worden waren. Bezüglich dieser Opfergruppe ist das Sophienstift überwiegend lediglich ein symbolischer Erinnerungsort an das rassistische Medizinsystem der nationalsozialistischen Zeit. Über den Krankenmord in Wehnen informiert die Gedenkstätte Alte Pathologie auf dem Gelände der jetzigen Karl-Jaspers-Klinik.

Kinder-Euthanasie

Am 23. März 1941 wurde im Sophienstift Anneliese Drost geboren und dort aufgrund einer Spina bifida operiert. Über das Gesundheitsamt Friesland erfolgte die Meldung an den „Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden“. Am 10. September 1941 überwies der Leiter des Gesundheitsamtes Friesland, Dr. Fritz Hildebrandt, das Kind an das Kinderkrankenhaus Hamburg-Rothenburgsort. Dort wurde Anneliese am 14. Dezember 1941 im Alter von neun Monaten auf Anordnung der Stationsärztin Dr. Ursula Petersen mit einer Überdosis des Schlafmittels Luminal ermordet.