Jever setzte den Standard: Die Architektur der Synagoge von 1880 und die anderen Synagogen Nordwestdeutschlands

von Hartmut Peters

Die jeversche Synagoge wurde 1880 erbaut, 1938 während des Novemberpogroms von örtlichen NS-Aktivsten zerstört und bald darauf abgerissen.

Die Synagoge von Jever, um 1900 (Bildarchiv Pisarek akg-images). Das im Nachlass des bekannten Berliner Fotografen Abraham Pisarek (1901 – 1983) jüngst aufgefundene Foto entstand um das Jahr 1900 herum. Die Datierung ist aufgrund der Höhe der Koniferen und wegen der Elektroleitungen, die es in Jever erst nach 1896 gab, möglich.
Die Synagoge von Jever um 1900 (Bildarchiv Pisarek, akg-images). Die Datierung ist aufgrund der Höhe der Koniferen und wegen der Elektroleitungen, die es in Jever erst ab 1896 gab, möglich.

Die Nationalsozialisten verschleppten am Tag nach der Niederbrennung die männlichen Juden Jevers in das KZ Sachsenhausen in Oranienburg bei Berlin. 67 Menschen aus Jever jüdischer Abstammung wurden bis zum Ende des nationalsozialistischen Terrorregimes 1945 ermordet.

Die Synagoge ist während der 58 Jahre ihrer Existenz mit Sicherheit außen und innen fotografiert worden, doch die Jahrzehnte des Suchens bei Sammlern und in Archiven seit den 1970er Jahren hatten nur zufällige Schnappschüsse mit dem Gebäude im Hintergrund ans Licht gebracht. Die Ursache für die fehenden Spuren  liegt in der Diskriminierung der Juden und im Holocaust, denn die Fotos der christlichen Kirchen der Stadt sind ohne Zahl.

Es bedeutet eine kleine Sensation, dass im April 2016 endlich eine professionelle Architekturaufnahme, erstellt um 1900, aufgetaucht ist und die schmerzhafte Lücke in der ansonsten gut dokumentierten Geschichte der jeverschen Sakralbauten füllt. Das Foto ist zeitgeschichtlich brisant, führt es uns doch anschaulich vor Augen, was Jever 1938 sich selbst buchstäblich herausgebrannt hat. Zufall, dass die Aufnahme im nachgelassenen Archiv eines jüdischen Fotografen aufgefunden wurde? Der Berliner Abraham Pisarek (1901–1983) kam vor allem durch sein Foto vom historischen Händedruck Grotewohls und Piecks beim Vereinigungsparteitag der SED 1946 und als Theaterfotograf Brechts und des Berliner Ensembles zu einigem Ruhm. Er fotografierte in den 1930er Jahren viele Synagogen in Berlin und wird ein allgemeines Interesse an Synagogenfotos besessen haben, wie das Nachlass-Fundstück jeversche Synagoge belegt.

Dass Jever zu einer so stattlichen Synagoge kam, erklärt sich aus den ökonomischen und politischen Hintergründen der Bauzeit. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts erlebte der beschauliche Ort im Hinterland einen Aufschwung, der aber nur etwa 70 Jahre anhielt. Die Geestrandstadt mit Marschhinterland blühte auf zu einem regionalen Vieh- und Pferdehandelszentrum, gefördert durch den Ausbau der Chausseen und ganz besonders durch die Bahnanschlüsse in die entstehenden Industrieregionen des Ruhrgebiets sowie die Nähe der mit Agrarprodukten zu versorgenden, 1869 gegründeten preußischen Marinestadt Wilhelmshaven.  Die Einwohnerzahl stieg in dieser Zeit von 4.000 bis auf etwas über 6.000. In dieser direkt nach dem Ersten Weltkrieg beendeten Episode gewannen die Juden im wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Leben der Stadt an Gewicht. Deutlichster Ausdruck des Emanzipationsfortschritts war die aktive Teilnahme an der Kommunalpolitik. Die Zahl der jüdischen Einwohner stieg von 139 im Jahre 1850 auf 219 im Jahre 1880 an und blieb 40 Jahre auf diesem Niveau, bis sie sich dann, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen, bis zum Beginn der NS-Herrschaft 1933 fast halbierte.

Ein Polizist präsentiert auf einem Balkon gegenüber der Synagoge sich und seine Braut dem Fotografen, der aber aus Versehen auf den Hintergrund scharf gestellt hat. So entstand ca. 1936 das bisher deutlichste, bekannte Foto der Dachpartie. (Ausschnitt, Sammlung P. Gabriels, Jever)
Ein Polizist präsentiert auf einem Balkon sich und seine Braut dem Fotografen, aber die Linse ist auf den Hintergrund scharf gestellt. Das deutlichste bekannte Foto der Dachpartie der Synagoge. (1936, Ausschnitt, Sammlung P. Gabriels)

Die im Jahre 1802 errichtete, schlichte und inzwischen baufällige Synagoge wurde in dieser glücklichen Epoche der jeverschen Juden zu klein, der Neubau sollte auf demselben Grundstück an der Großen Wasserpfortstraße erfolgen. Im Januar 1880 beauftragte der Synagogen-Gemeinderat seinen Vorsteher Joseph David Josephs (1835 – 1936), zusammen mit dem Oldenburger Bauführer Theodor Krantz, der seit 1876 für das Großherzoglich Oldenburger Hochbauamt arbeitete, eine Reise nach Hannover und Braunschweig zu unternehmen, um dort die 1870 bzw. 1875 eingeweihten Synagogen in Augenschein zu nehmen. Die an die deutsche Romanik angelehnte, wie eine christliche Kirche anmutende Neue Synagoge Hannovers diente dann nicht zum Vorbild für Jever, sondern eher die orientalisierende Braunschweiger Synagoge. Josephs und Krantz ließen sich von diesem auch byzantinisch genannten Stil, der ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst in den Großstädten aufgekommen war, inspirieren. Der genannte Stil, die krönende maurische Kuppel, wie sie in weitaus prächtigerer Form z. B. die Berliner Neue Synagoge von 1866 in der Oranienburger Straße zierte, und der wie ein Hahn, Schwan oder Kreuz aufgesetzte Davidstern setzten das Signal eigenständigen Judentums auch in einer entlegenen Kleinstadt. Natürlich kam das Gebäude nicht an die Präsenz der evangelischen Kirche in der Stadtmitte heran, doch mag es der katholischen Gemeinde, die etwas weniger Mitglieder als die jüdische zählte, Kopfzerbrechen bereitet haben, bis sie dann 1901 einen repräsentativen Neubau beziehen konnte. Die jeversche Synagoge galt lange als die schönste und größte weit und breit und zeugte vom Selbstbewusstsein einer Gemeinde, die jetzt ein Gotteshaus wie die Christen besaß und mehr Mitglieder aufwies als die vierfach größere Residenzstadt Oldenburg. Der Stolz darauf hallte noch 1984 nach, als die von den Nationalsozialisten aus Jever vertriebenen, überlebenden Juden Jever besuchten und von ihrer Synagoge erzählten.

Der Bürgermeister der Stadt legte den Grundstein, dem die Gemeindevertreter weitere Bausteine hinzufügten, der Oldenburger Großherzog, dessen Hochbauamt über den Bauführer Krantz offenbar direkt beteiligt war, gab einen Baukostenzuschuss und entsandte seinen Kultusminister zum Weihegottesdienst am 25. November 1880, an dem auch Christen aus Jever teilnahmen und der durch die Mitwirkung der jeverschen Stadtkapelle bereichert wurde. Die Weihefeierlichkeiten begleitete allerdings auch der Berliner Antisemitismusstreit, der aber im damals noch nicht antisemitischen Jeverschen Wochenblatt entschieden negativ kommentiert wurde. (Ausgabe v. 28.11.1880)

Dieser Blick in die Schloßstraße von ca. 1937 zeigt v.l. die katholische Kirche von 1901, die Kuppel der Synagoge und den Glockenturm der ev. Kirche. (Sammlung P. Gabriels)
Dieser Blick in die Schloßstraße von ca. 1937 zeigt v.l. die katholische Kirche von 1901, die Kuppel der Synagoge und den Glockenturm der ev. Kirche. (Sammlung P. Gabriels)

Wer zum Zeitpunkt 1880 den Bestand an Synagogen auf der ostfriesischen Halbinsel sichtet, findet entweder ältere und schlichte Zweckbauten wie z.B. in Leer, Emden oder Dornum oder Gebäude im klassizistischen Rundbogenstil, wie sie z.B. in Varel, Neustadtgödens oder Oldenburg um die Jahrhundertmitte herum errichtet worden waren. Das moderne Statement Jevers war für den gesamten genannten Bereich ein Novum und Jever mithin Vorreiter der architektonischen Entwicklung. 1885 erbaute dann die rund 300 Mitglieder umfassende Gemeinde der ostfriesischen 10.000-Einwohnerstadt Leer eine Synagoge, die dem von Jever gesetzten neuen Regional-Standard entsprach, aber die romanische Variante umsetzte. Das ebenfalls ostfriesische Emden, in dem 1885 bei rund 14.500 Einwohnern fast 700 Juden lebten, baute erst 1910 die in die Jahre gekommene Synagoge von 1836 repräsentativ, fast monumentalisierend um. In der Oldenburger Landeshauptstadt wurde 1905 die Synagoge von 1855, orientalisierend wie die jeversche, umgestaltet und erweitert. Wilhelmshaven orientierte sich 1915 hingegen an einem archaisierenden und zitierenden Stilmix, wie er in der großstädtischen Synagoge von Essen kurz zuvor angewendet worden war.

Wegen des engen Platzes am Rande der jeverschen Altstadt kam das stattliche Gebäude allerdings nicht voll zur Geltung, was schon 1880 in einem Zeitungsbericht bedauert wurde. Vermutlich gleichzeitig schuf die Gemeinde einen Anbau für den Religionsunterricht, das Schullokal, und die Mikwe. Es ist anzunehmen, dass die Gemeinde sich einen anderen Bauplatz nicht leisten konnte, wie auch der Abtrag der Hypotheken jahrzehntelang belastend war.

Auf einem bis auf die Risalite quadratischen Grundriss von 12 Metern Seitenlänge erhob sich das Gebäude aus überwiegend roten Backsteinen und damit einem „heimatlichen“ Material bis in ungefähr 12 Meter Höhe. Hier schloss sich ein von allen vier Seiten gleichmäßig in einem Neigungswinkel von ca. 35 Grad zulaufendes Dach an, das eine sich über der Mitte befindliche ca. drei Meter hohe Kuppel mit sechs großen Glasfenstern und einem metallenen Davidstern an der Spitze krönte. Die wesentlich kleineren Zierkuppeln leicht oberhalb der Dachecken, die z.B. auf einer Bleistiftzeichnung von 1881 zu sehen sind, fehlen bereits um das Jahr 1900 herum. Mit der Kuppel war das Gebäude rund 17 Meter hoch. Auf dem Dachsims, in der Mitte des Risalits der Straßenseite (Norden) und deutlich über den Sims hinaufragend, waren zwei Tafeln mit den Geboten in hebräischen Schriftzeichen angebracht. Ein ca. 1,60 Meter tiefer Vorgarten oder -hof und eine ca. 1,40 Meter hohe aus Steinpfeilern, Eisengittern und einer Pforte bestehende Einfriedung trennten das von der Front der übrigen Häuser in genau demselben Maße wie die Synagoge von 1802 zurückgesetzte Gebäude.

An der Straßenseite besaß die Synagoge in zwei übereinanderliegenden Reihen, die im Inneren dem Hauptraum und der Frauenempore entsprachen, neun Fenster, und zwar fünf große oben und jeweils genau darunter vier kleinere. Statt eines Fensters befand sich auf der rechten Seite der repräsentative, mit einer Eisentür ausgestattete Haupteingang. Die mittleren drei Fenster beider Reihen waren durch einen Risalit von etwa 30 Zentimetern Meter Tiefe hervorgehoben, in den die hellen Grundsteine der Synagoge von 1802 (links neben der Eingangstür) und des Neubaus von 1880 eingelassen waren. Die Westfassade war bis auf ein Fenster statt des Eingangs identisch mit der Straßenseite. Auf der Ostseite fielen die untere Fensterreihe und das mittlere der oberen Reihe weg, da sich im Inneren der hohe Thora-Schrein befand. Auf der Südseite lag, dem Haupteingang gegenüber, der Fraueneingang. Da daneben das vermutlich durch eine Brandmauer abgetrennte Schulgebäude angebaut war, gab es hier die untere Fensterreihe ebenfalls nicht. Alle Fenster bestanden aus kleinen, bunten und in Blei gefassten Einzelscheiben mit Schmuckornamenten. Umlaufende Sandsteingesimse gliederten die Fassade in Erd- und Obergeschoss sowie Obergeschoss und Dachbereich. Schmuckbänder aus Ziegelsteinen mit kreis- und blumenförmigen Motiven liefen über die so gleichzeitig klar und  feingegliederte Fassade und bestimmten zusammen mit den Kirchenglasfenstern und den Mittelrisaliten wesentlich das schmuckvolle Äußere.

Die 2017 bei Erdarbeiten gefundenen Steine des Sandsteingesimses, z.T. mit Schmauchspuren von 1938 (Foto: H. Peters)

Bei den Umbauarbeiten des GröschlerHauses seit dem September 2017  erschlossen sich neue Details der Baugeschichte, die hier nicht dargestellt werden. Außerdem kamen Artefakte der zerstörten Synagoge zu Tage: Als ein baufälliger Schuppen im ehemaligen Hofbereich der Synagoge abgerissen wurde, fanden im Oktober 2017 die Bauarbeiter im darunterliegenden Erdreich ungefähr vier Meter des zwischen Erd- und Obergeschoss umlaufenden Sandsteingesimses. Am einem der Steine haften noch die Brandspuren von 1938. Außerdem kamen verkohlte Reste von rotem Holz, vermutlich nordamerikanische Red Pine, wie es in der Gründerzeit auch vielfach für Dachgestühl verwendet wurde, zutage. Eine der beiden aufgefundenen anthrazitfarbenen Bodenkacheln lässt sich wegen ihrer rückseitigen Beschriftung auf die Bauphase beziehen, so dass angenommen werden darf, dass der Boden des Innenraums  damit gekachelt war.

Die 1828 erbaute und 1900 abgerissene katholische Kirche am Alten Markt (Sammlung P. Gabriels)
Die 1828 erbaute und 1900 abgerissene katholische Kirche am Alten Markt (Sammlung P. Gabriels)
Der Fraueneingang zur Synagoge und der Eingang zum Schullokal am 10. Nov. 1938. Über dem verkohlten Windfang ist der Sandsteingesims zu erkennen. (Archiv H. Peters)

Die westlichen Seitenmauern von Synagoge und Anbau lagen nicht in einer Fluchtlinie, vielmehr war der Anbau um ca. 1,80 Meter nach links versetzt. In den dadurch entstandenen rechten Winkel war ein mit einem Holzfenster versehener Windfang eingebaut, in den eine Tür von der der Straße abgewandten Seite führte. Vom Inneren des Windfangs zweigten der Fraueneingang in die Synagoge und der Schuleingang ab. Der Anbau, von dem man nicht direkt in die Synagoge gelangen konnte, besaß in Richtung Süden drei Glasfenster und zum kleinen Synagogenhof eines. Im östlichen Teil des Anbaus befand sich im Keller eine Mikwe. Fraueneingang und Anbau waren von der Gr. Wasserpfortstraße aus durch einen schmalen Gang, der links von der Synagoge und rechts von einer Mauer begrenzt war, und durch einen Zugang aus Richtung Mönchswarf zu erreichen.

Ein Wehrmachtsfotograf nahm am 10. November 1938 drei Fotos der zerstörten Synagoge auf. Aus ihnen lassen sich einige Elemente der Inneneinrichtung wie z. B. der Thoraschreins und seine erhöhte Ebene rekonstruieren. (Archiv H. Peters)
Ein Wehrmachtsfotograf nahm am 10. November 1938 drei Fotos der zerstörten Synagoge auf. Aus ihnen lassen sich Elemente der Inneneinrichtung wie z. B. der Thoraschreins und seine erhöhte Ebene rekonstruieren. (Archiv H. Peters)

Über das Innere der Synagoge ist nach wie vor wenig bekannt. Ungefähr 250 Menschen fanden auf Holzbänken Platz. Der mit verputzten, bemalten Wänden und gusseisernen Stützpfeilern versehene Raum war schmuckvoll ausgestattet, soll aber nicht zu überladen gewesen sein. Nach dem Fund der Kachel Ende 2017 ist von einem anthrazitfarbenen, gekachelten Boden auszugehen. Der mit hohen Säulen eingefasste Thora-Schrein setzte zusammen mit der zentralen Bima, einem darüber befindlichen Leuchter und der Frauenempore die Akzente. Es wirkten vor allem das Ausmaß des kuppelüberkrönten Raums und die zahlreichen großen Glasfenster, durch die bunt von allen Seiten das Licht fiel. Alexander Gutentag (1881 – 1952) aus Jever schrieb 1945 aus dem Exil an die „American Federation of Jews from Central Europe“ in New York City: „ Thorarollen und Thoraschmuck waren vorhanden und sind mit verbrannt oder geraubt worden, den Wert schätze ich auf 4 – 5000 RM.“ Leo Trepp (1913 – 2010) kannte die Synagoge als Oldenburger Landesrabbiner, bevor er Ende 1938 emigrierte, und formulierte 1945: „Large synagogue in center of city, seating about 250 to 300, with school rooms, meeting rooms, torah-scrolls and ornaments, rich equipment“. Max Markreich bezifferte 1945 den Wert der Thorarollen und der silbernen Kultgegenstände auf zusammen 18.000 RM. Leo Trepp wies darauf hin, dass vor dem Pogrom „Jever had all the windows broken by Nazis.“

1950 fand in Jever ein Prozess gegen die Haupttäter des Pogroms statt, der aber den Verbleib der Gegenstände nicht zu verhandeln hatte und ihn wegen des Schweigens der Angeklagten und des Fehlens aussagebereiter Zeugen im Übrigen auch nicht hätte aufklären können. Wahrscheinlich wurde die Synagoge unmittelbar vor der Anlage oder Zündung des benzingetränkten Brandherds ausgeraubt. Gerüchte, aber keine konkreten Hinweise waren bis in die 1990er Jahre hinein in Jever in Umlauf. Ausgerechnet einer der Brandstifter, Paul Liebenow (1901– 1977), gab 1941 laut Eingangsbuch einen „Synagogenschlüssel“ beim Jeverländischen Altertums- und Heimatverein ab, der aber bisher im Archiv nicht aufgefunden werden konnte. Als Erich Levy (1891 – 1967) nach seiner Befreiung aus der Berliner Zwangsarbeit 1945 nach Jever zurückkam, erhielt er die beiden erwähnten Gründungssteine aus der Fassade und vielleicht auch diesen Schlüssel als letzte Überbleibsel der Synagoge ausgehändigt. Levy ließ anschließend die Steine in ein Mahnmal einlassen, das sich heute noch auf dem jüdischen Friedhof befindet. Nur sie, die Mikwe und ein vom Geschäftshaus, das 1954 auf dem Grundstück gebaut wurde, übernommenes Fenster des Anbaus sowie Fotos und Dokumente künden heute in Jever von dem zerstörten, prachtvollen Mittelpunkts der Juden der Stadt. In dem Gebäude von 1954 befindet sich seit Juni 2014 das „GröschlerHaus“. Das „Zentrum für Jüdische Geschichte und Zeitgeschichte von Friesland “ heißt nach den beiden letzten Vorstehern der Gemeinde Hermann und Julius Gröschler, die beide dem Holocaust zum Opfer fielen.

Das von Erich Levy ca. 1948 auf dem jüdischen Friedhof errichtete Mahnmal für die zerstörte Synagoge, in das er die beiden Gründungstafeln aus der Fassade einbetten ließ. (Foto H. Peters, April 2016)
Das von Erich Levy ca. 1948 auf dem jüdischen Friedhof errichtete Mahnmal für die zerstörte Synagoge, in das er die beiden Gründungstafeln aus der Fassade einbetten ließ. (Foto H. Peters, April 2016)

Texte der Gründungssteine (nach Töllner, S. 27)

Dies Versammlungshaus wurde gebaut im Auftr. der Gemeinde unter Aufsicht der Vorsteher R. Josef B. R. Dawid, R. Benjamin B. R. Kalonimos, R. Dawid B. R. Eljakum Kaz, im Jahre 640 [= 1880] / „Dies ist nichts anderes als Gottes Haus, und dies ist das Tor des Himmels“ L.F.K. / 1. B. Mose 28, 17

[untere Tafel] Diesen heiligen Grund und Boden heiligte [widmete] Mosche Lewi B. R. Nafthali Segel S.L., um darauf das Versammlungshaus zu bauen.

 

Literatur (Auswahl)

  • Hammer-Schenk, Harold: Synagogen in Deutschland: Geschichte einer Baugattung im 19. U. 20. Jahrhundert. 2 Bd.- Hamburg 1981
  • Meyer, Enno [Hrsg.]: Die Synagogen des Oldenburger Landes.- Oldenburg 1988
  • Peters, Hartmut: [Die Synagoge von] Jever.- In: Meyer, Enno [Hrsg.]: Die Synagogen des Oldenburger Landes.- Oldenburg 1988, S. 41 – 121
  • Töllner, Johannes-Fritz [Hrsg.]: Die jüdischen Friedhöfe im Oldenburger Land.- Oldenburg 1983

Archivgut (Auswahl)

  • Urteil vom 23. Dez. 1950 in der Strafsache gegen Theodor Wilken [u.a. …] wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit, Brandstiftung, Landfriedensbruchs, Freiheitsberaubung und räuberischer Erpressung [Prozess über den Pogrom in Jever von 1938; im Archiv des Verfassers; auch Nds. LA Oldenburg]
  • Archiv der American Federation of Jews from Central Europe, New York City; darin u.a. Gutentag, Alexander: Brief vom 13. Mai 1945 aus Sao Paulo, Brasilien; Trepp, Leo: Brief vom 22. April 1945 aus Somerville, Mass.
  • Nds. LA Oldenburg, Best. 134, 792