Inhaltsverzeichnis
- Das Ehepaar Ludwig und Rosa Weiss
- Das Wohn- und Kaufhaus Weiss in der Kirchhofstraße (ab 1934: Hindenburgstraße) 3 in Varel
- Verfolgung ab 1933 und Umzug nach Bremen
- Bremen – KL Sachsenhausen – Ghetto Minsk
- „Wiedergutmachung“ nach 1945
- Erinnerungsarbeit
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1. Das Ehepaar Ludwig und Rosa Weiss
Vorfahren, Elternhaus und Geschwister von Ludwig Weiss
Ludwig Weiss stammte aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Sulmirschütz, einem Ort im Kreis Adelnau in der preußischen Provinz Posen. Heute liegt der Ort in Polen und trägt den Namen Sulmierzyce. Er war ein Sohn des Kaufmanns Hermann Weiss1 (geboren 25. August 1850 in Sulmirschütz, gestorben 30. August 1925 in Varel) und dessen Ehefrau Ernestine, geborene Weiss2 (geboren am 5. April 1854 in Sulmirschütz, gestorben 18. Oktober 1940 in Breslau). Die Eltern hatten im Februar 1876 in Ostrowo (Provinz Posen) geheiratet. Ludwig Weiss wurde in Sulmirschütz am 8. Februar 1881 als drittes von fünf Kindern aus dieser ehelichen Verbindung geboren. Er besuchte die Schule in Sulmierzyce und absolvierte danach eine kaufmännische Lehre an einem nicht bekannten Ort. Von Breslau kommend arbeitete er ab 16. August 1907 als Handlungsgehilfe in Geestemünde (damals ein eigenständiger Ort südlich von Bremerhaven und zu Preußen gehörig) in der Lederhandlung Adolf Meibergen. Seine Wohnanschriften wechselten mehrfach, offensichtlich lebte er in Untermiete. Am 2. Januar 1909 zog er um nach Bremerhaven, in die Keilstraße 19. In dieser Stadt war er als selbständiger Händler gemeldet, und zwar als „Schuhagenturwerkstatt pp.“ und „Trödler pp“. Anfang Juli 1911 meldete er diese Gewerbe ab und verlegte seinen Wohnsitz ab 24. Juli 1911 nach Zwickau in Sachsen.3
Ludwig Weiss hatte vier Geschwister:
1) Der älteste Bruder Simon wurde am 1. Januar 1878 in Sulmirschütz geboren. Er lebte zuletzt in Breslau, war Kaufmann und verheiratet mit Helicia (Helene) Bergmann4 (geboren 14. Mai 1884 in Zalesie). Das Paar hatte eine Tochter Ruth, geboren 28. November 1915 in Sulmirschütz. Simon Weiss diente im Ersten Weltkrieg als Soldat im Infanterie-Regiment 398 und fiel am 12. April 1917 in der Kriegsgefangenschaft in Verneuil (Frankreich). Die Witwe Helene und die Tochter Ruth lebten zuletzt in Militsch/Bezirk Breslau – in der Bahnhofstraße 24/26 bzw. Breslauerstraße 29 – bevor sie am 6. Dezember 1938 mit der „S. S. Copiapo“ von Hamburg in die USA emigrieren konnten. Am 23. Dezember 1938 trafen sie in New York ein. Nach Angaben des Neffen Max Biberfeld (siehe 4) war ihr endgültiges Ziel Chile. Weitere Daten sind bisher nicht bekannt.
2) Der Bruder Leo, geboren am 5. März 1879 in Sulmierschütz, lebte zuletzt ebenfalls in Breslau. Er fiel im Ersten Weltkrieg am 22. August 1917 als Angehöriger des Reserve-Infanterie-Regiments 23. Er blieb ledig und ohne Nachkommen.
3) Der jüngere Bruder Emil, geboren am 23. Dezember 1883 (?) in Sulmirschütz, lebte und arbeitete zuletzt als Zahnarzt in Glatz / Schlesien. Er emigrierte zu einem unbekannten Zeitpunkt und nach unterschiedlichen Quellen entweder nach Palästina oder in die USA. Weitere Daten sind bisher nicht bekannt.
3) Seine Schwester Gertrud wurde am 8. Juli 1886 in Sulmirschütz geboren. Sie heiratete Alfred Biberfeld (geboren 12. Januar 1876 in Lissa, preußische Provinz Posen, nach dem Ersten Weltkrieg polnisch Leszno). Das Paar hatte einen Sohn: Max Biberfeld (geboren 1911 in Lissa, gestorben 13. Oktober 2003 in Israel). Nachdem 1920 der Heimatort von Gertruds Ehemann, Lissa, polnisch geworden war, verzog die Familie Biberfeld zunächst nach Hannover, dann nach Wilhelmshaven. Die Eheleute eröffneten im Oktober 1928 in Jever in der Neuen Straße 14 eine Filiale des Vareler „Kaufhaus Weiss“. Die Filiale ließ sich gut an und später konnten die Biberfelds das Haus käuflich erwerben. Wegen der NS-Judenverfolgung musste das Geschäft 1937 aufgegeben, Ende 1938 auch das Haus verkauft werden. Die Eheleute wurden nach Hannover gebracht. Alfred und Gertrud Biberfeld wurden von Hannover am 15. Dezember 1941 nach Riga deportiert. Alfred wurde dort unmittelbar nach Ankunft ermordet, Gertrud wurde von Riga noch am 9. August 1944 ins Konzentrationslager Stutthof bei Danzig gebracht. Ihr genaues Todesdatum ist unbekannt.
Der Sohn Max Biberfeld charakterisierte die NS-Zeit in Jever folgendermaßen: „Was ich am Mariengymnasium 1928/29 als Jude auszustehen hatte, hat mir einen Schock fürs Leben versetzt, andererseits mir das Leben gerettet, weil ich nach 1933 bald auswanderte, da ich wusste, was ich zu erwarten hatte.“5 Lehrer ließen antisemitische Gedichte aufsagen, Schüler steckten Mitschülern Zettel mit rassistischen Parolen an oder legten Papptafeln mit Hakenkreuzen ans Fenster. Max Biberfeld machte 1930 in Wilhelmshaven sein Abitur, studierte Nationalökonomie und wurde Diplom-Volkswirt. Zur Vorbereitung auf die Auswanderung nach Palästina war er 1933 bis 1935 in der Landwirtschaft beschäftigt, u.a. beim Bauern „Heini Pieper in Altjührden“ (Landgemeinde Varel), bis ihn der NS-Kreisbauernführer entdeckte und vertrieb. Max wanderte 1936 nach Palästina aus und wurde Orangenfarmer. Er heiratete Orah Löwenstein, hatte vier Kinder und starb 2003 in seiner neuen Heimat.
Die Eltern von Ludwig Weiss waren im Alter finanziell auf die Hilfe ihres Sohnes Ludwig angewiesen, zudem zog es sie in die Nähe ihrer in Jever lebenden einzigen Tochter Getrud. Aus diesen Gründen siedelten sie am 3. Februar 1921 von Ostrowo kommend nach Varel um und lebten fortan im Haus ihres Sohnes in der Kirchhofstraße (Hindenburgstraße).6
Ludwig’s Vater Hermann starb dort am 30. August 1925 und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Varel-Hohenberge bestattet. Die Mutter Ernestine verließ Varel einige Jahre nach dem Tode ihres Ehemannes und zog am 8. April 1929 zu Verwandten nach Breslau. Sie lebte dort zuletzt in der Kirschallee 81 und verstarb am 18. Oktober 1940 im Alter von 86 Jahren im Jüdischen Krankenhaus in Breslau.
Heirat von Ludwig Weiss mit Rosa Bornheim
Zu Rosa Bornstein, der Ehefrau von Ludwig Weiss, liegen bisher nur wenige Informationen vor. Sie wurde am 26. Januar 1884 in Brätz im Kreis Tirschtiegel, preußische Provinz Posen, geboren. Der Ort liegt heute in Polen und trägt den Namen Brójce. Über ihre Vorfahren, Elternhaus oder eventuelle Geschwister ist bisher kaum etwas bekannt. Ein „seit Oktober 1938 in Krakau lebender Schwager“ namens Louis Drucker wird in einem Schriftsatz von Rosa Weiss aus dem Jahr 1939 erwähnt, somit muss Rosa mindestens eine Schwester gehabt haben.
Von Berlin kommend war sie ab 27. Mai 1905 in Bremerhaven gemeldet, lebte aber in den Jahren 1905 und 1906 auch kürzere Zeiträume in Lehe (preußischer Ort nördlich von Bremerhaven). Ihr Beruf war Verkäuferin in dem 1903 gegründeten Bremerhavener Kaufhaus Schocken (Besitzer Joseph, genannt Julius, Schocken) in der Bürgermeister-Smidt-Straße.
Das Kaufhaus war der Einkaufszentrale Schocken & Söhne in Zwickau angeschlossen.. Ab 1. November 1910 lebte auch sie in der Keilstraße 19, allerdings bei einem anderen Vermieter als Ludwig Weiss. Von dort aus meldete sie sich ab 30. August 1911 ebenfalls nach Zwickau ab.
Das Paar hat sich also offenbar in Bremerhaven kennen gelernt. Es ist nicht klar, ob Ludwig und Rosa Weiss während ihres Aufenthaltes in Zwickau geheiratet haben, eventuell erst später am 17. November 1911.7 Nach der Heirat zog das Paar – laut Meldekarte – am 26. September 1911 von Zwickau nach Varel um, wohl in der Annahme, in der Kleinstadt günstige Voraussetzungen für eine Existenzgründung zu finden.
Kinder Erich (Gideon) Weiss und Ruth Weiss (verheiratete Kochmann)
Aus der ehelichen Verbindung von Ludwig und Rosa Weiss gingen zwei Kinder hervor, die vor dem Ersten Weltkrieg in Varel geboren wurden: Sohn Erich (später: Gideon), geboren 14. September 1912, und Tochter Ruth, geboren 31. Juli 1914.
Erich (Gideon) besuchte bis März 1929 die Realschule in Varel. Er absolvierte eine kaufmännische Lehre in Hamburg und arbeitete in den Jahren 1932/1933 im elterlichen Geschäft, das er eigentlich später übernehmen sollte. 1932/33 besuchte er eine Webschule. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten entschied er, sich für eine Emigration als Pionier nach Palästina vorzubereiten. In Berlin studierte er Landwirtschaft und stand in Kontakt mit der zionistischen Bewegung. Er meldete sich am 18. Juli 1936 aus Varel ab nach Palästina. Dort lebte er im Kibbuz Ayelet Hashhachar. Von 1937 bis 1941 betrieb er eine kleine Milchfarm und diente dann bis 1946 als Freiwilliger in der Britischen Armee. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte er in Ägypten. Nach dem Militärdienst lebte er zuletzt wieder in einem Kibbuz, diesmal in Givat Brenner (südlich von Tel Aviv). Erich (Gideon) Weiss verstarb nach schwerer Krankheit, ledig und ohne Nachkommen, am 6. Juli 1956 im Kibbuz Givat Brenner.
Tochter Ruth besuchte die jüdische Elementarschule und bis Ostern 1931 die Realschule in Varel. Sie betätigte sich anschließend als Buchhalterin und Kassiererin im Familiengeschäft. Ruth Weiss war bis zum 1. Mai 1934 in Varel gemeldet und wanderte dann nach Palästina aus, wo sie zunächst eine landwirtschaftliche Schule in Acco besuchte. 1936 heiratete sie den im Jahr zuvor aus Deutschland emigrierten Kaufmann Paul Kochmann, geboren am 3. Juni 1910 in Berlin-Charlottenburg. Am 31. August 1939 wurde ihr einziges Kind, der Sohn Michael, geboren. Ruth erhielt 1948 die israelische Staatsbürgerschaft. Mitte der 1990er Jahre besuchte sie noch einmal mit ihrem Sohn Michael und dessen Frau die Stadt Varel. Ihr Mann Paul starb 1996 in Haifa (Israel). Ruth lebte zuletzt in einem Heim, wo sie sich um eine deutsch-englisch-französische Bibliothek kümmerte. Sie verstarb 2010 in Haifa im Alter von 96 Jahren. Ihr Sohn und dessen Nachkommen leben in den USA und Israel.
Abb.: Erich (Gideon) und Ruth Weiss. Ausschnitt aus undatiertem Foto vor 1933. Sammlung Holger Frerichs. |
2. Das Wohn- und Kaufhaus Weiss in der Kirchhofstraße
(ab 1934: Hindenburgstraße) 3 in Varel
Ludwig Weiss eröffnete nach seinem Umzug nach Varel ein Kaufhaus im Wohn- und Geschäftsgebäude an der Ecke Schlossstraße/Kirchhofstraße (ab 1934: Hindenburgstraße). Die Adresse war zunächst noch Schloßstraße 8, später Kirchhof- bzw. Hindenburgstraße 3. Dort hatte zuvor Joh. G. Meinen ein Manufakturwaren- bzw. Modekaufhaus eingerichtet, danach befand sich dort das Kaufhaus Detmold Tasse.
Das Kaufhaus Weiss wurde zunächst als Filiale/Zweiggeschäft der Einkaufszentrale Schocken und Söhne in Zwickau gegründet, in deren Zweiggeschäft in Bremerhaven die Ehefrau Rosa einige Jahre als Angestellte tätig gewesen war (siehe oben).
In der Vareler Zeitung „Der Gemeinnützige“ vom 13. September 1911, knapp zwei Wochen vor der amtlichen Anmeldung des Ehepaares Weiss in Varel, erschien folgende Anzeige:
„Voranzeige! Am 1. Nov. cr. eröffnet die Einkaufszentrale J. Schocken Söhne, Zwickau i. S. unter der Firma Kaufhaus Ludwig Weiss im Meinenschen Hause, Schloßstr. 8 (vormals Detmold Tasse) ihr zwanzigstes modernes Zweiggeschäft.“
Angeboten wurden u. a. Kurzwaren, Futterstoffe, Strümpfe, Handschuhe, Schreibwaren, Seifen, Bürsten, Lederwaren. In den ersten Jahren der Selbstständigkeit verfügte Ludwig Weiss noch nicht über viel Eigenkapital. Die „Oral History“ in Varel weiß zu berichten, dass er im Sommer als zusätzliche Einnahmequelle jeden Tag mit einem Handwagen ins Nordseebad Dangast gefahren sein soll, um dort Zigaretten und anderen Kleinkram zu verkaufen.
Im April 1914 wurde er Eigentümer des Grundstücks in der Kirchhofstraße 3. Ehe er sich weiter dem Aufbau seiner beruflichen Existenz widmen konnte, diente er zunächst nach Beginn des Ersten Weltkriegs als Soldat. Nach seiner Rückkehr nach Varel erweiterte er schrittweise das Warensortiment des Geschäftes und nahm verschiedene Umbau- und Erweiterungsbaumaßnahmen vor.
Zwei (undatierte) Fotos zeigen das Kaufhaus, das sechs große Schaufenster hatte. Wegen seiner preisgünstigen Angebote wurde das Kaufhaus schon nach wenigen Jahren eine begehrte Einkaufsquelle für Menschen mit mittlerem und geringerem Einkommen. Ludwig’s Frau Rosa arbeitete ganztägig im Geschäft; sie betreute die Gardinen-, Lederwaren- und Spielzeug-Abteilung. Insgesamt sollen bis zu 15 VerkäuferInnen fest angestellt gewesen sein, in geschäftlichen Stoßzeiten kamen Aushilfskräfte hinzu. Im ersten Stock über den Geschäftsräumen bewohnte die vierköpfige Familie eine Sechs (andere Quelle: Sieben)-Zimmer-Wohnung. Für den Haushalt war eine Hilfe eingestellt worden. Das Ehepaar konnte sich aufgrund der auskömmlichen Einkommenssituation verschiedene Reisen, auch ins Ausland, leisten.
Die beiden Eheleute Ludwig und Rosa engagierten sich aktiv im jüdischen Gemeindeleben in Varel: Ludwig bekleidete in den 1920er und 1930er Jahren mehrfach verschiedene Funktionen im Synagogengemeinderat. Seine Frau Rosa war zeitweise Leiterin des Israelitischen Frauenvereins in Varel.
Das Gebäude im Hintergrund rechts neben der Stadtkirche (heute Drostenstraße 2) war ein Wohn- und Kaufhaus, das nacheinander im Besitz der jüdischen Familie Heynemann, später Lewin und bis 1938 Neumann war.
1928: Eröffnung einer Filiale des Kaufhauses Weiss in Jever
Alfred Biberfeld, der Schwager von Ludwig Weiss (Ehemann seiner Schwester Gertrud), eröffnete am 2. Oktober 1928 in Jever in der Neuen Straße 14 eine Filiale des Vareler „Kaufhaus Weiss“. Die Eheleute Biberfeld führten die Filiale, die guten Umsatz machte, und so konnten die Biberfelds später auch das Haus erwerben. Das Geschäft musste 1937 wegen der antijüdischen Aktivitäten in Jever aufgegeben werden, das Haus unter Zwang verkauft werden.8
3. Verfolgung ab 1933 und Umzug nach Bremen
Distanz, Ablehnung oder gar „Judenhass“ in Varel gab es bereits, seitdem sich dort ab Ende des 17. Jahrhunderts die ersten jüdischen Familien ansiedelten. Ihr bis Mitte des 19. Jahrhunderts bestehender Status als durch die Obrigkeit lediglich geduldete „Schutzjuden“, antijüdische Traditionen der seit der Reformation in Varel dominierenden evangelisch-lutherischen Kirche vermischte sich mit wirtschaftlichen und sozialen Neidmotiven der ortsansässigen Händler und Gewerbetreibenden, die „die Juden“ oftmals als unliebsame Konkurrenz betrachteten.
Im 19. Jahrhundert kam der vermeintlich „naturwissenschaftlich“ begründete rassistische „Antisemitismus“ hinzu, der weit in das bürgerliche Lager hinein wirkte und bei rechtsstehenden politischen Kreisen sehr populär war. Nach der Niederlage des Kaiserreiches im Ersten Weltkrieg und Gründung der Weimarer Republik betraten völkisch-nationalistische Organisationen die Bühne, in deren Weltbild „die Juden“ zur Wurzel alles „nationalen Unglücks“ nach 1918 erklärt wurden.
Im April 1928 gründete sich in Varel eine Ortsgruppe der NSDAP. Bei den Stadtratswahl im November 1930 konnte ihre Kandidatenliste – an der Spitze der Kaufmann Hans Flügel und der Arzt Dr. Friedrich Wegener – eine Mehrheit der Wähler verbuchen. Flügel wurde zum stellvertretenden Bürgermeister, Dr. Wegener zum Stadtratsvorsitzenden gewählt.
Bei den Reichstags- und oldenburgischen Landtagswahlen erzielte die NSDAP in der Stadt überdurchschnittliche Ergebnisse. Bei den Landtagswahlen im Juni 1932 trugen die Stimmenergebnisse aus dem Amtsverband Varel dazu bei, dass im Freistaat Oldenburg anschließend die erste rein nationalsozialistische Landesregierung im Deutschen Reich gebildet wurde.
Bei den Aktivitäten der Nazi-Partei samt „Sturmabteilung“ (SA) und „Schutzstaffel“ (SS) war die antijüdische Hetze fester programmatischer Bestandteil. Hakenkreuz-Schmierereien an Wohnhäusern bzw. Geschäften sowie Anpöbeleien waren für die Vareler Juden seit Beginn der 1930er Jahre keine seltene Erfahrung mehr. Mit der reichsweiten Machtübertragung an die Nationalsozialisten Anfang 1933 begann die staatlicherseits betriebene Diskriminierung und Ausgrenzung der jüdischen Minderheit.
Über gezielte Angriffe von Angehörigen der nationalsozialistischen Organisationen in Varel gegen die Familie und das Geschäft Weiss wird schon aus den Jahren vor der Machtübertragung 1933 berichtet: „(…) im Herbst 1929, hatten sich Angehörige der SA vor dem Kaufhaus Weiss aufgestellt, die den Kundenverkehr beobachteten, bekannte Käufer namentlich erfassten und auch photographierten. Ludwig Weiss, der Inhaber des Kaufhauses, ertrug die Schikanen mit Fassung.Erneute Ausschreitungen [1932] gegen sein besonders bei Arbeitern beliebtes Kaufhaus hatten die Zerstörung weiterer Schaufensterscheiben zur Folge. In der örtlichen Presse war daraufhin zu lesen: ‚Wieder eine Schaufensterscheibe eingeworfen wurde in der letzten Nacht beim Kaufhaus Weiss. Es ist dieses in der letzten Zeit bereits das dritte Mal, daß hier Schreiben zertrümmert wurden. Im ersten Fall war es gleichfalls eine Schaufensterscheibe und beim zweiten Mal eine Schreibe in der Haustür. Leider konnten die Täter immer entkommen. Es ist bedauerlich, daß derartige Fälle vorkommen, tragen doch alle in der Schaufensterversicherung abgeschlossenen Geschäftsleute zusammen die Kosten für neue Scheiben‘.“
Eine Tageszeitung aus Jever wusste im März 1933 über die erneuten antijüdischen „Terrorakte“ angeblich unbekannter Täter in Varel – u.a. mehrfach beim Kaufhaus Weiss – zu berichten:
Bei der Anfang April 1933 reichsweit durchgeführten „Boykottaktion“ der Nazis stand in der Stadt Varel das Kaufhaus von Ludwig Weiss auf der Liste, die von den örtlichen Organisatoren in „Der Gemeinnützige“ veröffentlicht wurde. Darin aufgezählt waren alle vom „Vareler Aktionskomitee zur Abwehr der jüdischen Greuel- und Boykotthetze“ als Angriffsziele erkorenen „jüdischen Geschäfte“ der Stadt. Die Aktivisten der Vareler NSDAP bzw. SA bezogen am 1. April 1933 vor dem Kaufhaus mit Transparenten und Sprechchören Stellung und versuchten, die potentiellen Kunden mit solcherlei Drohgebärden am Betreten des Geschäftes zu hindern. Am Abend des 1. April wurde der Boykott allerdings „ausgesetzt“ und drei Tage später für beendet erklärt. Scharfe Reaktionen aus dem Ausland bis hin zu Boykottdrohungen deutscher Waren ließen negative Konsequenzen für die Wirtschaft und das Ansehen des NS-Regimes befürchten.
Zudem reagierten Teile der nichtjüdischen deutschen Bevölkerung noch sehr reserviert auf diesen nationalsozialistischen Boykottaufruf. Besonders in katholischen Bevölkerungskreisen, in Varel ebenfalls eine Minderheit, soll es zu Gesten der Solidarität aus Mitleid und Betroffenheit gekommen sein. Allerdings zogen es wohl viele nichtjüdische Deutsche – so auch in Varel – für die Zukunft vor, ihre Waren nun in eigens ausgewiesenen „Deutschen Geschäften“ zu kaufen.
Das Bestreben der Nazis, die Familie Weiss aus dem Ort zu vertreiben, setzte sich fort: Das Geheime Staatspolizeiamt Oldenburg meldete in einem Monatsbericht von Anfang 1935 über Vorfälle rund um das Weihnachtsfest 1934: „An 2 Sonntagen vor Weihnachten ist in Varel und Jever versucht worden, den Geschäftsbetrieb der jüdischen Firma Ludwig Weiss zu stören. Als Täter beteiligten sich in Varel insbesondere die Insassen des Hilfswerklagers der SA.“9
Weitere Boykottaktionen folgten, oftmals initiiert vom SA-Funktionär und berüchtigten „Antisemiten“ Elimar Suhren10. Rudolf Brahms berichtete dazu: „So erschien er zu Beginn der Adventszeit 1935 vor dem Eingang des Kaufhauses Weiß, um über die dort einkehrenden Kunden Buch zu führen und mit dieser Vorgehensweise den Geschäftsbetrieb zu beeinflussen und Weiß zu schädigen. Wohl waren Einzelaktionen gegen Juden verboten, doch der ‚Berufsantisemit‘ Suhren handelte in Übereinstimmung mit seinem Kreisleiter [Anmerkung: Kaufmann Hans Flügel, Mühlenstraße 2, seit 1934 hauptberuflich NSDAP-Kreisleiter für den Landkreis Friesland]. Somit blieb auch die Beschwerde, die Ludwig Weiß am 30. November 1935 bei der Stadtverwaltung vorbrachte, unbeachtet. Wegen Abwesenheit des Bürgermeisters wurde Weiß an die Gendarmerie verwiesen“.11
Ludwig Weiß hoffte natürlich vergeblich auf polizeiliche Ahndung des Vorfalls.
Weitere symbolische Aktionen der Nationalsozialisten verschärften die immer unerträglicher werdende Lebenssituation für die noch in der Kleinstadt Varel ausharrenden jüdischen Bürger. An verschiedenen Plätzen wurden ab Mitte der 1930er Jahre Schilder mit der Aufschrift „Juden unerwünscht!“ aufgestellt.
In den „Stürmer“-Kästen verbreiteten die Nazis die antijüdische Hetze des von Julius Streicher herausgegebenen Kampfblattes „Der Stürmer“ und prangerten auf denunziatorische Weise angebliche örtliche „Judenfreunde“ an.
Schriftliche Aufzeichnungen von Mitgliedern der Familie aus diesen Jahren sind nicht bekannt. Sie dürften sich aber nicht von dem unterscheiden, was uns aus anderen Orten in Deutschland überliefert ist. Rudolf Brahms beschrieb die Entwicklung nach Beginn der NS-Herrschaft folgendermaßen: „So verunsichert, nutzte im Unterschied zu den Besitzern der Schwabe’schen Lederfabrik der Inhaber des Kaufhauses Weiss, Ludwig Weiss, die Möglichkeiten einer rechtzeitigen Auswanderung nicht. Als Vertreter reeller kaufmännischer Grundsätze glaubte er an die Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit seiner Mitmenschen, so daß er den Störungen des Geschäftsalltages, wie sie von einem SA-Mob mit krimineller Energie initiiert wurden, nicht die Bedeutung beimaß, die angebracht gewesen wäre. Die Aktionen gegen ihn und sein Kaufhaus in den Monaten nach dem Märzboykott hatten dann aber doch zur Folge, daß ab 1935 ein Rückgang des Geschäftsbetriebes festzustellen war und Ludwig Weiss sich gezwungen sah, das Kaufhaus zu schließen oder sich der Zwangsarisierung zu unterwerfen. Er entschied sich für Letzteres, neuer Inhaber des Kaufhauses wurde Erhardt Hirsch, Mitglied der NSDAP seit Mai 1931. (…).“12
Zunächst wurde das Wohnhaus samt Geschäft am 15. Februar 1936 an Hirsch verpachtet, nach dem Tod von Ludwig Weiss im KL Sachsenhausen (November 1938) verkaufte es dessen Witwe am 15. Dezember 1938 an den bisherigen Pächter.
Am 19. Februar 1936 meldete sich das Ehepaar Weiss aus Varel ab, um in Bremen zu leben.
Für den „Judenbeobachter“ Diedrich Meiners, Mitinhaber einer Buchhandlung in Varel, stellte sich die Lage im September 1936 wie folgt dar: „Das früher ausgesprochen jüdische Kaufhaus Weiss erzielte vor der Machtübernahme ganz bedeutsame Umsätze. Es hatte nämlich von Arbeitern und Beamten großen Zuspruch. Weiss war Mitglied der GROHA, der Leipziger Einkaufsgenossenschaft der jüdischen Waren- und Kaufhäuser. Von 1933 an ging das Geschäft allmählich zurück. 1935 nahm dieser Rückgang Formen an, die dazu führten, daß im Herbst dieses Jahres der Betrieb vollständig verödet war. Es blieb Weiss nichts weiteres übrig, entweder das Geschäft zu schließen oder es in deutschstämmige Hände zu geben. Er hat Letzteres gewählt und es an Hirsch abgegeben, der arisch und dazu Mitglied der NSDAP ist.
Hirsch soll bisher Angestellter der GROHAG gewesen sein und es ist anzunehmen, dass durch die GROHAG Weiss und Hirsch miteinander bekannt geworden sind. (…). Von dem Geschäft sind nur Inventar und Lager auf Hirsch übergegangen. Das Grundstück steht nach wie vor auf den Namen Weiss. Das Lager und Inventar sollen für 30.000 Reichsmark von Hirsch gekauft sein. Ob er diesen Betrag an Weiss ausbezahlt hat, ist nicht festzustellen. Für Geschäftsräume und Wohnung zahlt Hirsch Pacht an Weiss. Die Höhe der Pacht ist unbekannt.
Weiss ist nach Bremen verzogen. Nach seinem Fortzuge habe ich ihn hier schon wieder in Varel gesehen. Andere, die ihn ebenfalls gesehen haben, haben darüber die Bemerkung fallen lassen, daß der Jude Weiss wohl hier in Varel sei, um nach dem Rechten zu sehen. Dass Einfluss des Weiss auf das Geschäft noch bestehen muss, kann man schon daraus schließen, daß das Geschäftsgebaren des Kaufhauses nach wie vor ausgesprochen jüdisch geblieben ist. Ich habe dieses selber wiederholt feststellen müssen (…) kann ich nicht umhin, das Kaufhaus Hirsch als einen getarnten Judenbetrieb aufzufassen (…).“13
4. Bremen – KL Sachsenhausen – Ghetto Minsk
Ludwig und Rosa Weiss waren nach ihrem Fortzug aus Varel ab 6. März 1936 in Bremen in der Brahmsstraße 3 gemeldet. Ihre Tochter Ruth berichtete später: „Ich bin im Jahre 1934 aus Varel nach Palästina ausgewandert und ich habe bis zu meiner Auswanderung bei meinen Eltern in Varel gelebt. Mein (…) Bruder Gideon Weiss ist im Jahre 1936 aus Varel nach Palästina ausgewandert. Aus der Korrespondenz mit meinen Eltern, d.h. bis zum Tode meines Vaters im Jahre 1938 und aus der Korrespondenz mit meiner M;utter, die bis zum Jahre 1940 dauerte, wie auch aus den Erzählungen meines (…) Bruders weiss ich, dass meine Eltern (…) Anfang 1936 aus Varel nach Bremen übersiedelten. Im Jahre 1937 waren meine Eltern in Palästina zu Besuch und aus verschiedenen Gesprächen mit ihnen erfuhr ich, dass sie außer der Einrichtung von 2 Zimmern, d.h. meines und meines Bruders, alle anderen Möbel und Hausrat nach Bremen mitgenommen hatten. In Varel besaßen meine Eltern eine 7-Zimmer-Wohnung, Küche und Nebenräume.“14
Die Frage, warum das Ehepaar Weiss den Besuch bei ihrer Tochter (und dem Sohn) 1937 nicht nutzen konnte, im für sie sicheren Palästina Aufnahme zu finden, muss unbeantwortet bleiben. Bei der Rückkehr ins nationalsozialistische Deutschland spielte sicherlich eine Rolle, dass sie glaubten, dort trotz aller Bedrängnisse zumindest ihr mühsam in vielen Jahren erarbeitetes Vermögen verzehren zu können. Ludwig und Rosa Weiss konnten 1937 wohl noch nicht ahnen, was an brutalen Verfolgungsmaßnahmen im Herbst 1938 (Novemberpogrom) und später ab Herbst 1941 (Deportationen in die Todeslager) bevorstand und sie letztlich nicht nur ihren Besitz, sondern auch das Leben kosten würde.
Novemberpogrom 1938: Ludwig Weiss im Konzentrationslager Sachsenhausen ermordet
Das Novemberpogrom 1938 begann in Bremen kurz nach Mitternacht am 10. November 1938. Vor allem in der Bremer Altstadt, aber auch in anderen Stadtteilen machten sich „Rollkommandos“ der SA daran, in den Geschäften jüdischer Besitzer/-innen Scheiben und Türen einzuschlagen, die Ladeneinrichtungen zu verwüsten und Wertsachen zu beschlagnahmen.
An den Gebäuden wurden Plakate angebracht, die Aufschriften wie „Vernichtet das Judentum“ und „Tod dem internationalen Juden- und Freimaurertum“ trugen. Die Bremer Synagoge in der heutigen Kolpingstraße (ehemals: Gartenstraße) wurde in Brand gesetzt. Mit Hilfe einer zuvor erstellten Adressliste jüdischer Bremer/-innen drangen bewaffnete SA-Trupps in der ganzen Stadt in Wohnungen ein, zertrümmerten die Wohnungseinrichtungen, raubten Bücher, Schmuck und Kunstgegenstände und demütigten und misshandelten die Bewohner/-innen.
Am frühen Morgen des 10. November wurden die betroffenen jüdischen Männer und Frauen auf dem Sammelplatz des Alten und Neuen Gymnasium zusammengetrieben.
Während die Frauen nach kurzer Zeit wieder frei gelassen wurden, mussten sich über 160 Männer, darunter Ludwig Weiss, aufstellen und wurden von der SA zum Zuchthaus Oslebshausen eskortiert und dort in „Schutzhaft“ genommen.
Am folgenden Vormittag ging es für sie weiter Richtung Hauptbahnhof und von dort mit einem Sonderzug ins Konzentrationslager Sachsenhausen (bei Oranienburg/Berlin).15 Dem Transport aus Bremen waren die während des Novemberpogroms im Oldenburger Land sowie in Ostfriesland von der Gestapo in „Schutzhaft“ genommenen jüdischen Männer angeschlossen. Ludwig Weiss traf somit bei der Fahrt nach Sachsenhausen auf seine ehemaligen jüdischen Mitbürger aus Varel, die ebenfalls den Weg ins Konzentrationslager antreten mussten. Schon bei der Ankunft, vor allem aber auf dem Weg ins Konzentrationslager, kam es zu schweren Misshandlungen durch die SS-Wachmannschaften. Dies setzte sich im Lager fort, wo die Ankommenden zunächst stundenlang auf dem Appellplatz verharren mussten. Ein Mithäftling erklärte später an Eides statt, dass Ludwig Weiss am Morgen des 14. November 1938 tot auf seinem Schlafplatz gefunden und noch mit auf den Appellplatz geschleift worden war, damit beim Appell die Gesamtzahl der Häftlinge stimmte. Der genaue Zeitpunkt seines Todes bzw. die genaue Todesursache sind ungeklärt. Unzweifelhaft ist jedoch, dass Ludwig Weiss infolge der Verschleppung ins KZ und der dort erlittenen Strapazen gestorben ist. Nach der Einäscherung wurden die sterblichen Überreste von Ludwig Weiss auf dem jüdischen Friedhof Berlin-Weßensee bestattet.
Deportation von Rosa Weiss nach Minsk (Weissrussland)
Rosa Weiss erhielt bei Beginn des Weltkrieges im September 1939 als Jüdin im Rahmen der Lebensmittelversorgung nur die mit „J“ gezeichnete Lebensmittelkarten, die sie vom Bezug bestimmter Nahrungs- und Genussmittel ausschlossen. Im weiteren Verlauf des Krieges durften auch in Bremen die Juden nur noch zu bestimmten Zeiten und in bestimmten Geschäften einkaufen, was ihnen vom NS-Regime offiziell zum Lebensunterhalt zugestanden wurde.
Am 19. September 1939 erließ der Oberfinanzpräsident Weser-Ems in Bremen eine „Sicherungsanordnung“ über das Vermögen der Witwe, die fortan auf einem „beschränkt verfügbaren Sicherungskonto“ bei der Bremer Bank nur noch über einen festgelegten Betrag von monatlich 375 Reichsmark zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes frei verfügen durfte. Jegliche weitere Ausgaben konnten nur nach gesonderter Freigabe durch die Finanzverwaltung erfolgen. So genehmigte der Oberfinanzpräsident z.B. eine Unterstützungszahlung von 1000 Reichsmark von Rosa Weiss an die in Hannover lebende Schwägerin Gudrun Biberfeld, versagte aber einer Zahlung von 200 Reichsmark an den Schwagers Louis Drucker in Krakau die Zustimmung.
Nach eigenen Aussagen hatte Rosa Weiss im September noch ein Bankguthaben von 32.900 Reichsmark und Wertpapiere im Betrag von 3.373 Reichsmark. Abzüglich ihrer Schulden, noch nicht gezahlter „Reichsfluchtsteuer“ und „Judenvermögensabgabe“ von zusammen 13.245 Reichsmark verblieben über 23.000 Reichsmark. Im Hinblick auf ihr Jahreseinkommen gab Rosa Weiss gegenüber der Finanzverwaltung für das Steuerjahr 1938 einen Betrag von 4682 Reichsmark an, für das Jahr 1939 erwartete sie nur noch ein Einkommen von 300 Reichsmark.16
Nach der Ermordung ihres Mannes betrieb Rosa Weiss noch Vorbereitungen für eine Emigration aus Deutschland: „Mein Vater hat sich leider geirrt, als er annahm, dass er seinen Lebensabend als Rentier von seinem Vermögen in Deutschland verbringen könnte. Erst nach seinem Tode fasste meine Mutter den Entschluss, auszuwandern.“17 Rosa Weiss ließ im August 1939 in Bremen einen sogenannten „Liftvan“ sowie drei Kolli Umzugsgut im Gesamtgewicht von 4615 Kilogramm durch die Spediteursfirma Roehlig & Co. verladen und unter Beteiligung der italienischen Spediteursfirma Villain & Fassio im Hafen Triest einlagern. Geplant war die Verschiffung zu ihrem Sohn Erich (Gideon) nach Palästina im Zusammenhang mit ihrer geplanten Auswanderung.
Am 23. August 1939 bescheinigte der Polizeipräsident in Bremen „zwecks zollfreier Einfuhr nach Palästina“, dass die zuvor auf elf Seiten penibel aufgeführten Gegenstände „Eigentum der Frau Rosa Sara Weiss, Bremen, Brahmsstr. 3, und gebraucht sind. Es sind Haushaltsgegenstände und Umzugsgut, da der Haushalt von Bremen nach Palästina verlegt wird“. Vom März und Mai 1940 sind Schreiben der italienischen Speditionsfirma Villain & Fassio überliefert, die von Problemen bei der geplanten Verschiffung berichten.18
Noch im November 1940 beantragte Rosa Weiss beim Oberfinanzpräsident in Bremen die Freigabe von Geldern von ihrem Sperrkonto für „Umzugskosten“ im Gegenwert von von knapp 5.500 Lire.19 Die näheren Umstände bzw. die Gründe für das Scheitern des Vorhabens sind bisher nicht bekannt. Nachdem Rosa Weiss im November 1941 nach Minsk deportiert (wo sie ermordet wurde) und ihr Eigentum vom Deutschen Reich „eingezogen“ worden war, erfolgte Anfang 1944 auf Anordnung deutscher Dienststellen in Italien die Beschlagnahme des noch in Triest lagernden Umzugsgutes, ein Teil wurde nach Treibach-Althofen in Kärnten weggeschafft.20
Im Frühjahr 1941 begann in Bremen die letzte Phase im Schicksalsweg von Rosa Weiss: Bremens Gestapo pferchte die noch in der Stadt verbliebenen Juden in einigen „Judenhäusern“ zusammen. Auch Rosa Weiss musste am 30. April 1941 in ein solches Gebäude in der General-Ludendorff-Straße 27 (heute Bürgermeister-Smidt-Straße) umziehen.21 In diesem Einfamilienhaus waren zeitweise knapp 20 jüdische Bremer und Bremerinnen untergebracht
Mitte September 1941 trat die „Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden“ vom 1. September 1941 in Kraft, welche alle Juden über sechs Jahre verpflichtete, außerhalb der eigenen Wohnung ständig einen gelben Stern auf der Kleidung zu tragen. Ab dem 18. September 1941 galt für Juden das Verbot der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln.
Im Herbst 1941 erfolgte das Auswanderungsverbot für Juden aus Deutschland, gleichzeitig begann das Reichssicherheitshauptamt mit der Deportation der deutschen Juden in den „Osten“. Zunächst rollten mehrere Transporte mit 20.000 Personen in das Ghetto Lodz. Da sich die Gauleiter im besetzten Polen weigerten, weitere Juden aus dem Reich aufzunehmen, wurden für die zweite Deportationswelle nun Ziele in der besetzten Sowjetunion ausgewählt: Minsk in Weißrussland und Riga in Lettland. Ein in Berlin vom 24. Oktober 1941 datierter Geheimer Schnellbrief des Chefs der Ordnungspolizei unter der Überschrift „Evakuierungen von Juden aus dem Altreich und dem Protektorat“ beschrieb den Plan verschiedener Massen-Deportationen nach dem Osten. In Absatz 1 hieß es: „In der Zeit vom 1. November – 4. Dezember 1941 werden durch die Sicherheitspolizei aus dem Altreich, der Ostmark und dem Protektorat Böhmen und Mähren 50 000 Juden nach dem Osten in die Gegend um Riga und um Minsk abgeschoben. Die Aussiedlungen erfolgen in Transportzügen der Reichsbahn zu je 1000 Personen. Die Transportzüge werden in Berlin, Hamburg, Hannover, Dortmund, Münster, Düsseldorf, Köln, Frankfurt/M., Kassel, Stuttgart, Nürnberg, München, Wien, Breslau, Prag und Brünn zusammengestellt.“22
Der Brief regelte die Begleitung der Transporte durch die Ordnungspolizei. Der eigentliche Deportationsbefehl ist in den Archiven nicht überliefert. An diesem 27. Oktober 1941 oder während der folgenden Tage wurde den meisten der rund 440 jüdischen Mitbürger Bremens vermutlich die bevorstehende „Evakuierung“ genannte Deportation bekannt gegeben, wobei ein genauer Zeitpunkt und das Ziel nicht genannt wurden.
Per Schnellbrief hatten die Beamten des Judenreferates der Gestapo Bremen den Betroffenen mitgeteilt, sie hätten sich auf ihre Deportation vorzubereiten, z.B. Strom- u. Wasserrechnungen zu begleichen, Vermögensaufstellungen anzufertigen. Am 31. Oktober erhielten die von der Deportation betroffenen Juden von ihrer Gemeindevertretung eine Liste mit den Gegenständen, die sie für die „Evakuierung“ mitzubringen hatten.
Letztes überliefertes schriftliches Lebenszeichen von Rosa Weiss ist der von ihr mit Datum 13. November 1941 unterzeichnete Antrag auf Freigabe von 2.250 Reichsmark von ihrem Sicherungskonto. Es handelt sich um „Anschaffungen und Reise zur Evakuierung“. Angesichts des in Minsk drohenden Schicksals von Rosa Weiss ein – aus der Rückschau – in seiner beiläufig-bürokratisch wirkenden „Schlichtheit“ wahrhaft als schaurig anzusehendes Dokument!
Am 18. November 1941 frühmorgens wurden die für die Deportation nach Minsk ausgewählten Opfer, darunter Rosa Weiss, von der Gestapo und anderen Ordnungskräften abgeholt. Jeder durfte nur einen Koffer und Handgepäck mitnehmen, sonstiges Hab und Gut, soweit noch vorhanden, blieben zurück. Die Wohnungen wurden anschließend versiegelt, später ausgeraubt und das Inventar versteigert. Als Sammelunterkunft dienten der Schulhof und die Turnhalle des Gymnasiums am Barkhof. In kleinen Gruppen wurden die Menschen zum Bremer Lloydbahnhof geführt. Da auch viele Kinder (insgesamt 46 waren unter 14 Jahre) und ältere Menschen (85 Personen über 60 Jahre) unter ihnen waren, dürfte spätestens hier Zweifel über den angeblichen Arbeitseinsatz „im Osten“ aufgekommen sein. Am Bahnhof mussten die Verhafteten den Erhalt einer Erklärung unterschreiben. Nach dem „Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit“ und dem „Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens“, beide schon von 1933, wurden sie als „staatsfeindlich“ definiert und ihr Vermögen mittels einer entsprechenden Verfügung „zugunsten des Deutschen Reiches“ eingezogen.23
442 Deportierte aus Bremen, darunter Rosa Weiss, sind namentlich bekannt. Weitere Personen aus dem Bezirk Stade kamen hinzu. Begleitet wurde der Zug von Beamten der Ordnungspolizei. Der Zug fuhr mit ca. 570 Personen um 8:40 Uhr aus Bremen ab und traf gegen 11.30 Uhr im Hannöverschen Bahnhof in Hamburg ein. Dort wartete ein Zug mit ca. 408 Hamburger Juden auf die Weiterfahrt. Die zusammengekoppelten Züge trafen am 22. November 1941 in Minsk ein.
Eine Transportliste der Gestapo ist nicht erhalten. Die hier abgebildete Reproduktion ist ein Ausschnitt aus einer Nachkriegsaufstellung der Jüdischen Gemeinde Bremen, Nr. 411 ist Rosa Weiss:
Die Stadt Minsk in Weißrussland war bereits am 28. Juni 1941 von deutschen Truppen erobert worden. Bereits im Juli wurde ein zwei Quadratkilometer großer Bereich des Stadtgebietes, ca. 40 Straßen umfassend, zum Ghetto erklärt. Hier wurden anfänglich über 60.000 Juden auf engstem Raum zusammengepfercht: 1,5 qm pro Person, kein Strom, kein Heizmaterial bei Temperaturen im Winter unter 40 Grad, Wasser aus Gemeinschaftsbrunnen, täglich eine Wassersuppe und 80 bis 150 g Brot. Hunger, Krankheit und Tod waren allgegenwärtig. Um Platz für die Neuankömmlinge aus dem Reichsgebiet zu schaffen, wurden im November 1941 mehr als 12.000 weißrussische Juden ermordet. Die eintreffenden knapp 7.000 reichsdeutschen Juden, darunter aus Bremen, wurden in einem gesonderten Ghetto-Bezirk neben dem mit Stacheldraht abgegrenzten Hauptghetto untergebracht. Im Sonderghetto I wohnten die Deportierten aus Hamburg, Düsseldorf und Frankfurt/M, im Sonderghetto II die Deportierten aus Berlin, Brünn, Wien und Bremen. Die Unterbringung erfolgte nach regionaler Herkunft, so gab es z. B. ein Bremer Lager.
Von den Bewohnern des Sonderghettos waren ca. 1.400 zur Zwangsarbeit eingesetzt. Sie wurden jeden Tag in Kolonnen zu ihren Arbeitsstellen gebracht. Trotz Schwerstarbeit bestand für sie durch den Arbeitseinsatz ein vorübergehender Schutz vor ständig stattfindenden Übergriffen und sie wurden besser ernährt.
Nach der „Wannseekonferenz“ (21. Januar 1942) besuchten nacheinander Eichmann (RSHA), Heydrich (Chef der Sicherheitspolizei) und Himmler im März das Ghetto und ordneten an, dass nunmehr auch die deutschen Juden zu vernichten seien. Daraufhin kam es Ende Juli 1942 zur größten „Aktion“, der die als nicht arbeitsfähig eingestuften Ghettoinsassen zum Opfer fielen.
Man brachte die Opfer auf Lastwagen direkt nach der Tötungsstätte im Wald von Blagowshtchina, einer Waldlichtung in der Nähe von Maly Trostenez Bevor die SS die Menschen hier tötete, mussten sie sich entkleiden und ihre letzten Wertgegenstände aushändigen. Danach mussten sie in Unterwäsche nach den 60 m langen und 3 m tiefen Gruben gehen. Bis zu 100 Männer der Sicherheitspolizei und des SD warteten hier und erschossen die Menschen mit Genickschüssen. Eine besondere Gruppe von russischen Zwangsarbeitern hatte vorher die Gruben ausgehoben. Im Winter wurden die Gruben mit Dynamit aus der gefrorenen Erde heraus gesprengt. Nachdem die Gruben mit Leichen gefüllt waren, musste dieses Sonderkommando die Leichen mit Erde abdecken. Planierraupen oder Traktoren ebneten die Gräber ein. Beim Entladen der Opfer von den Lastwagen waren die SS-Männer sehr brutal. Die Todesschüsse und Schreie wurden von Lautsprechermusik überlagert, so dass die Bevölkerung umliegender Dörfer die Exekutionen nicht bemerkte. Die SS hatte alles so gut organisiert, dass die Opfer keine Möglichkeit zum Widerstand hatten. Im Bericht des zuständigen Generalkommissars für Weißruthenien und sog. „Judenschlächters von Minsk“ Wilhelm Kube heißt es lapidar:
„In Minsk-Stadt sind am 28. und 29. Juli 1942 rd. 10.000 Juden liquidiert worden, davon 6.500 russische Juden, überwiegend Alte, Frauen und Kinder. Der Rest bestand aus nicht einsatzfähigen Juden, die überwiegend aus Wien, Brünn, Bremen und Berlin im November vorigen Jahres nach Minsk (…) geschickt worden sind.“
Zusätzlich zu den Erschießungskommandos setzte die SS vier Gaswagen im Gebiet Minsk ein. In Maly Trostinec tötete man in diesen Wagen ab Juni 1942. Die einheimische Bevölkerung bezeichnete diese Wagen als „Dushegubki“, „Seelentöter“. Auch viele Reichsdeutsche wurden in Gaswagen auf dem Weg nach Blagowschtschina erstickt.
Nur eine Handvoll der am 18. November 1941 aus Bremen deportierten Juden überlebten das Ghetto in Minsk und das Massaker Ende Juli 1942. Rosa Weiss war nicht darunter.
5. „Wiedergutmachung“ nach 1945
Nach dem Ende des NS-Regimes gab es verschiedene gesetzliche Regelungen zur sogenannten „Wiedergutmachung“ (Entschädigung, Restitution) für die Opfer des NS-Regimes.
Am 27. September 1963 entschied das Landesamt für Wiedergutmachung Bremen nach „gütlicher Einigung“ der Parteien, das die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches für den während der NS-Zeit erfolgten Entzug von Hausrat und für die zwangsweise Ablieferung von Schmucksachen, Persianermantel, Radio und Ferngläser einen Betrag von 14.000 Deutsche Mark an die Erbin von Rosa Weiss, d. h. ihre Tochter Ruth, zu zahlen hatte.24
6. Erinnerungsarbeit
Seit 1991 erinnert eine Tafel am Bremer Hauptbahnhof links des Haupteingangs an den Überfall auf die Sowjetunion und die danach erfolgte Deportation Bremer Juden in die Todeslager von Minsk.
Im Bremer Ortsteil Schwachhausen wurde vor der Brahmsstraße 3 ein sogenannter „Stolperstein“ für Ludwig und Rosa Weiss verlegt. Träger des Projekts sind der Bremer Verein „Erinnern für die Zukunft e.V.“ und die Landeszentrale für politische Bildung Bremen in Kooperation mit dem Initiativkreis Stolpersteine Bremen.
Im Internet sind dazu für beide Eheleute biografische Information verfügbar: http://www.stolpersteine-bremen.de/detail.php?id=61
und http://www.stolpersteine-bremen.de/detail.php?id=62 .
Im Jahre 2009 wurde in der Stadt Varel diskutiert, eine Straße, die den Namen des einst führenden Vareler NSDAP-Repräsentanten Friedrich Wegener trug, umzubenennen. Diese Umbenennung wurde zwar vom Stadtrat einstimmig beschlossen, doch kam der unter anderen eingebrachte Vorschlag für eine Ludwig-Weiss-Straße nicht zum Zuge.
Die ehemalige Kirchhofstraße in Varel, die 1934 von den Nationalsozialisten in Hindenburgstraße umbenannt wurde, und in der die Familie Weiss ein Vierteljahrhundert lebte und geschäftlich wirkte, trägt heute immer noch den Namen des letzten Reichspräsidenten der Weimarer Republik, der 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte.
Am 14. November 2017, dem Todestag von Ludwig Weiss, enthüllte der Arbeitskreis „Juden in Varel“ eine Gedenk- und Erinnerungstafel am ehemaligen Wohn- und Geschäftshaus der Familie Weiss in der Hindenburgstrasse 3.
Holger Frerichs (Arbeitskreis Juden in Varel),
Forschungsstand: 23.10.2019.
Anmerkungen
1 Sohn von Simon Weiss (1825 in Sulmirschütz-1862 in Sulmirschütz) und dessen Ehefrau Röschen, geborene Cohn (1825 in Jarotschin/Posen-1852 in Sulmirschütz). Ahnentafel im Jüdischen Museum Berlin, Inventarnummer 2000/505/36.
2 Tochter des Bauern Jonas Weiss (8. Adar 1813 in Sulmirschütz-1900 in Ostrowo) und dessen Ehefrau Berta, geborene Landau (10. Tischri 1813 in Jarotschin/Posen-2. Ijjar 1899 in Ostrowo). Ebd. Sterbeurkunde Standesamt Breslau, Nr. 2011/1940.
3 Mitteilung Barbara Ebeling, Projekt Stolpersteine Bremen, 14. Juni 2017.
4 Tochter des Kaufmannes Benno Bergmann (27. Oktober 1856 in Kempen/Posen, poln. Kepno-23. November 1917 in Kempen/Posen und dessen Ehefrau Nanny, geborene Sklarz (Geburtsdatum bisher unbekannt in Pleschen/Posen-11. August 1890 in Zalesie). Ebd.
5 Zitiert nach Hartmut Peters (Hg.): Verbannte Bürger – Die Juden aus Jever. Jever 1984, S. 48.
6 Die Vermutung bei Brahms, dass Hermann Weiss bereits vor seinem Sohn nach Varel gekommen und sich als Kleinhändler betätigt haben soll, ist unzutreffend. Vgl. Rudolf Brahms. Geschichte einer ungeliebten Minderheit, Oldenburg 2006, S. 262.
7 Mitteilung Barbara Ebeling, Projekt Stolpersteine Bremen, 14. Juni 2017.
8 Hartmut Peters (Hg.): Verb(r)annte Bürger. Die Juden aus Jever. Jever 1984, S. 110.
9Monatsbericht Gestapo-Amt Oldenburg, 19. Januar 1935. In: Albrecht, Eckhard / Hoffmann, Katharina: Gestapo Oldenburg meldet… Hannover 2002, S. 183. Das SA-Hilfswerklager bestand bis Anfang Juli 1935 im Haus Schloßplatz 10 untergebracht. Dort sollten arbeitslose SA-Männer wieder an ein regelmäßiges Arbeitsleben gewöhnt werden.
10 Kaufmann Wilhelm Elimar Suhren, geboren 22. September 1896 in Varel. gestorben 28. September 1967 in Varel. Er wohnte mit seiner Ehefrau Elise Sophie Henriette, geborene Bosse (geboren 12. März 1899 in Jaderkreuzmoor, gestorben 13. Februar 1968 in Varel) und einer 1924 geborenen Tochter in der Langen Straße 24.
11 Brahms, a.a.O., S. 312f. Brahms verweist auf eine Quelle im Stadtarchiv Varel.
12 Brahms, a.a.O., S. 324.
13 Bericht von Meiners an die Industrie- und Handelskammer Oldenburg, Eingang IHK 18. September 1936. Niedersächsisches Landesarchiv Oldenburg, Bestand 265, Nr. 583. Bei der Wiedereröffnung kündigte Hirsch in der Tageszeitung an, es sei sein Bestreben, seine Kundschaft mit guten Erzeugnissen zu kleinen Preisen auf Dauer zu bedienen. Die nächste Geschäftsübernahme erfolgte am 1. März 1954 zwischen Hirsch und dem noch heute bestehenden Textilhaus Dieler.
14 Aussage Ruth Kochmann, geborene Weiss, 14. Februar 1960. Archiv Bundesamt für Zentrale Dienste und Offene Vermögenfragen Berlin (BADV), Bestand OFP Weser-Ems, Bremen, RA 5668, Blatt 45.
15 Vgl. Ausstellungskollektiv (Hg.); „Ich hätte nicht geglaubt, wozu die Deutschen fähig sind.“ Das Novemberpogrom 1938 in Bremen. Bremen 2009, S. 19 und 25.
16 BADV, OFP Weser-Ems, Bremen, RA 5668. Zu den Anträgen auf Unterstützungszahlungen an ihre Verwandten (Dezember 1939, März 1940) vgl. Blatt 25-28. Zur Vermögensaufstellung im September 1939 vgl. Blatt 21.
17 Aussage Ruth Kochmann, geborene Weiss, 21. Juni 1961. BADV, OFP Weser-Ems, Bremen, RA 5668, Blatt 68.
18 BADV Berlin, OFP Weser-Ems, RA 5160, Auflistung des Umzugsgutes: Blatt 14-24.
Schreiben der Firma Villain & Fassio: Blatt 25f.
19 BADV Berlin, OFP Weser-Ems, Bremen, RA 5668, Blatt 32-35.
20 BADV Berlin, OFP Weser-Ems, RA 5160, Blatt 36.
21 Mitteilung Rosa Weiss an Oberfinanzpräsident Weser-Ems, 30. April 1941.
BADV Berlin, OFP Weser-Ems, RA 5668, Blatt 36.
22 Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof Nürnberg, Nürnberg 1949, Bd. 33, Dok. 3921-PS, S. 535. Allgemein zur Deportation nach Minsk vgl. Andreas Röpke, Günther Rohdenburg: Es geht tatsächlich nach Minsk. Texte und Materialien zur Erinnerung an die Deportation von Bremer Juden am 18.11.1941 in das Vernichtungslager Minsk., Kleine Schriften des Staatsarchivs Bremen, Heft 21. Bremen, 2. überarb. Aufl. 2001.
23 Erst mit der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz (25.11.1941) wurde die Einziehung jüdischen Vermögens vereinfacht: Sobald ein Jude seinen „gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland“ genommen und damit die deutsche Staatsangehörigkeit verloren hatte – was bei Deportation und Auswanderung zutraf –, verfiel sein Vermögen automatisch dem Deutschen Reich, ohne dass es noch einer gesonderten Einziehungsverfügung bedurfte.
24 BADV Berlin, OFP Weser-Ems, Bremen, RA 5668, Blatt 100ff.