Auf Spurensuche: Jever - Sachsenhausen - Auschwitz
Liebe Freunde des GröschlerHauses,
heute möchte ich Sie auf einen Film hinweisen, den die Kino-Freunde Friesland e.V. und das GröschlerHaus aus Anlass des bevorstehenden 75. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz in der Fimpalette Jever, Bahnhofstr. 44, am 22. Januar zeigen.
„Auf Spurensuche: Jever - Sachsenhausen - Auschwitz"
Dokumentarfilm von Omid Mohadjeri und Michael Telkmann, 40 min.
Mit Christel Menni Schwarz und vielen Familienangehörigen
Filmpalette Jever, Bahnhofstr. 44
22. Januar 2020, Einlass ab 19:30, Filmbeginn 20.05
Moderation: Christel Menni Schwarz und Hartmut Peters
Musikalischer Rahmen: Sinti Swing Oldenburg
Karten (10,-- €) an der Abendkasse
Der Film begibt sich auf die Spuren der Sinti-Familien Schwarz und Laubinger, von denen siebenundzwanzig Angehörige im März 1943 aus Zetel und Oldenburg zusammen mit 250 anderen Sinti über den Sammelpunkt Bremer Schlachthof nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurden - nur wenige überlebten. Der 2019 entstandene Film wird in einer Premiere von den Kino-Freunden Friesland e.V. und dem GröschlerHaus Jever gezeigt.
Die sehr junge Frau blickt ernst in die Kamera. Sie sitzt auf einem Sofa in einem Hotel in der Stadt Auschwitz. Das Sprechen kostet sie Überwindung: „Erst dachte ich, wir machen einen Ausflug", sagt sie. „Aber als wir durch das Tor gingen, habe ich realisiert: Wir besuchen unsere Verwandten auf dem Friedhof." Sie hat gerade mit anderen Familienmitgliedern an diesem Herbsttag 2019 die steinernen Reste des sogenannten „Zigeunerfamilienlagers" im ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau besucht. Viele ihrer Vorfahren, zuvor ansässig in Zetel, wurden hier ermordet. Ihre Urgroßmutter Margot Schwarz überlebte.
Mitglieder der Sinti-Gruppe vor den Resten der Baracken des ehemaligen Vernichtungslagers und jetzigen Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, 15. Okt. 2019
Initiator und verbindendes Element des Films ist Christel Schwarz, 71, der Vorsitzende des Freundeskreises der Sinti und Roma e.V. in Oldenburg. Sein Vater Friedrich Schwarz wurde 1938 in Jever verhaftet und war bis 1945 im KZ Sachsenhausen, seine Mutter Margot Franz durchlitt Auschwitz-Birkenau, Flossenbürg und Buchenwald. Ursprünglich geplant war eine große, gemeinsame Reise der Nachkommen an die Stationen der Verfolgung und des Mordes. Realisiert wurden schließlich zwei kürzere, mehrtägige Reisen: eine von Jever über die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen in Oranienburg bis zur Gedenkstätte Todesmarsch im Belower Wald - und eine nach Auschwitz-Birkenau.
Obwohl es ein vergleichbares Projekt, in dem Sinti ihre Geschichte selbst darstellen, noch nicht gegeben hat, hielten die großen deutschen Stiftungen ihre Taschen zu. Der Film konnte schließlich durch Unterstützung vor allem des Landkreises Friesland und der Städte Jever und Oldenburg sowie durch private Spenden doch noch realisiert werden. Auch der Arbeitskreis GröschlerHaus und das Schloss-Museum Jever, die mit den Oldenburger Sinti durch einen Kooperationsvertrag verbunden sind, haben nach Kräften das sehr wichtige Projekt unterstützt. Das Filmteam arbeitete praktisch unbezahlt. „Das kleine Budget macht ja das Thema nicht unwichtiger", sagt Filmemacher Michael Telkmann. „Die Zeitzeugen werden nicht jünger. Wir haben gesagt: Wir machen das trotzdem."
Mitglieder der Sinti-Gruppe vor der Gedenkstätte auf dem Gelände des ehemaligen Vernichtungslagers und der jetzigen Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, 15. Okt. 2019
„Es geht im Film viel mehr um die Gegenwart, als wir am Anfang gedacht haben. Es ist kaum jemandem bewusst", so Telkmann, „wie sehr die Erfahrungen der NS-Zeit bis heute auch in der jungen Generation nachwirken. Jeder einzelne Gesprächspartner berichtet von massiven Diskriminierungen."Auf dem Weg nach Oranienburg kündigte ein Campingplatzbesitzer plötzlich den gebuchten Stellplatz - er habe ja nicht gewusst, dass es sich um „Zigeuner" handele. Konsterniert berichtet der Vater eines kleinen Jungen, wie sich beim Besuch der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau seine Gedanken an die ermordeten Verwandten mischten mit der Erinnerung an die Beleidigungen, die er selbst als Jugendlicher zu hören bekam. Und heute werde eben sein Sohn als „Zigeuner" beschimpft.
„Ich habe etwas über Schmerz gelernt, über Trauer und Wut", sagt der Kameramann Omid Mohadjeri, 23. „Ich möchte mit dem Film ohne Umwege das Herz treffen. Damit die Zuschauer über das Gefühl verstehen, wie wichtig das Thema ist." Die beiden Filmemacher staunen immer noch darüber, mit welcher Offenheit die Angehörigen ihnen begegnet sind.
Man merkt dem Film die vertrauensvolle Atmosphäre an; dass Begegnungen und Gespräche auch weitergingen, als die Kameras ausgeschaltet waren. Die Aussagen der kleinen Reisegruppe erreichen tiefere Schichten des Verständnisses für die Auswirkungen des Völkermordes in der Gegenwart, als das die meisten TV-Dokus hinbekommen.
„Ich möchte die zum Nachdenken bringen, die mit dem Thema sonst nichts zu tun haben", sagt Christel Menni Schwarz. „Der Film soll eine Warnung sein, dass so etwas nie wieder passieren darf".
(Die Zitate wurden aus der TAZ Bremen v. 13. Dez. 2019 übernommen. Vielen Dank!)
Mit freundlichen Grüßen,
Hartmut Peters
(Redaktion von groeschlerhaus.eu)