Veranstaltungshinweis 15.12.2022 um 19 Uhr
“… z.Zt. der Zigeunererfassung in Wilhelmshaven wohnhaft gewesen.” – Zur Verfolgung der Sinti und Roma in Weser-Ems
Do, 15.12.2022, 19:00 Uhr im GröschlerHaus
Große Wasserpfortstraße 19, 26441 Jever
- Vortrag von Dr. Hans Hesse (Köln)
- Musikalische Umrahmung: Sinti Swing Oldenburg
Wenig ist bisher über die Geschichte und das Schicksal der ethnischen Minderheit der Sinti und Roma in der NS-Zeit bekannt. Mit dem Historiker Dr. Hans Hesse (Köln) konnte das GröschlerHaus Jever jetzt den besten Kenner der Materie für den Raum Weser-Ems gewinnen. Dr. Hesse Autor ist Autor mehrerer Bücher zum Thema und gibt einen Einblick in aktuelle Forschungsergebnisse am Beispiel ausgewählter Sinti-Familien.
Anlass der Veranstaltung sind zwei Jahrestage: Am 15. Dezember 1938 wurde die Familie Frank von Leer nach Wilhelmshaven vertrieben. Vier Jahre später, am 16. Dezember 1942 – also vor bald 80 Jahren – ordnete der berüchtigte „Auschwitzerlass „ von „Reichsführer SS“ Himmler die Deportation der Sinti und Roma aus ganz Europa in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau an.
Zunächst zum ersten Jahrestag: Am 15. Dezember 1938 verließ der Sinti-Familie Frank ihr langjähriges Winterquartier in Leer. Zur Familie gehörten Grete Frank und ihr Ehemann Georg Frank und sechs Kinder, sowie drei Geschwister von Georg Frank: Anita, Alois und Hugo Frank. Ihr neuer Wohnort war der Schützenplatz im Wilhelmshavener Ortsteil Bant.
Ein solcher Umzug im Winter ist ungewöhnlich. Es ist dies ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Familie gehen musste. Hintergrund ist der Erlass „Bekämpfung der Zigeunerplage“ vom 8. Dezember 1938. Er legte in Abschnitt D fest, dass Sinti und Roma „aus den an die Reichsgrenze angrenzenden Landkreisen und Stadtkreisen mit polizeilichen Mitteln fernzuhalten“ seien. Nur bereits sesshafte Sinti und Roma durften sich dort weiter noch aufhalten. Da die Familie Frank aber in Wohnwagen lebte, wurde sie offenbar nicht als „sesshaft“ angesehen. Die künstlerischen Berufe der erwachsenen Mitglieder der Familie Frank – Musiker und Artist – machten im Übrigen Reisen während der Sommermonate notwendig.
Der Erlass erging eine Woche, bevor die Familie Leer verließ – ein starkes Indiz dafür, dass die Familie vertrieben wurde, zumal sie auch in den folgenden Jahren nicht mehr nach Ostfriesland zurückkehrte.
Vier Jahre später, am 16. Dezember 1942, unterzeichnete Himmler den bereits genannten Auschwitz-Erlass. Er ordnete die Deportation von Sinti und Roma aus ganz Europa in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau an – unter ihnen 10.000 Sinti und Roma aus dem damaligen deutschen Reichsgebiet. Insgesamt wurden im okkupierten Europa mehrere Hunderttausend von ihnen in Konzentrationslagern oder durch Einsatzgruppen der SS ermordet. Seit 1994 ist der 16. Dezember der Gedenktag für den Völkermord an den Sinti und Roma.
In der Folge des Erlasses wurden im März 1943 Grete Frank und ihr Ehemann Georg Frank und die Kinder, die zu diesem Zeitpunkt in Zetel lebten, über den Bremer Schlachthof nach Auschwitz-Birkenau in das so genannte „Zigeunerfamilienlager“ deportiert. Fast alle von ihnen wurden ermordet.
Was aber geschah mit den anderen Familienmitgliedern? Aus Anlass der Jahrestage der Vertreibungen präsentiert Dr. Hesse seine bislang unveröffentlichten, neuesten Forschungen zu dem bisher unbekannten Schicksal der Geschwister von Georg Frank.
Der Historiker wird gleichfalls seine Forschungsergebnisse zur Verfolgung der Oldenburger Sinti-Familie Mechau präsentieren, die in Auschwitz Opfer von Menschenversuchen wurde. Er wird außerdem einen bislang unbekannten Zeitzeugenbericht zum Geschehen in dem Vernichtungslager vorstellen.
Die musikalische Umrahmung gestaltet die Combo „Sinti Swing Oldenburg“ des Oldenburger Gitarristen und Sängers Barono Schwarz im Stil von Django Reinhardt. Er ist ein Enkel von Überlebenden. Seine Großmutter wurde 1943 von Zetel nach Auschwitz, sein Großvater 1938 von Jever in das KZ Sachsenhausen verschleppt.
Mit freundlichen Grüßen,
Hartmut Peters
(Redaktion von groeschlerhaus.eu)