Zehn Jahre GröschlerHaus - Kurzfilm "Inner Circle / Outer Circle" (22.08.2024) und Vortrag über den Aufstieg der NSDAP im Jeverland (29.08.2024)
Liebe Freundinnen und Freunde des GröschlerHauses,
unsere Reihe „Zehn Jahre GröschlerHaus“ bietet im August noch zwei hochinteressante Veranstaltungen:
Donnerstag, 22. Aug. 2024, GröschlerHaus, 19 Uhr, Eintritt frei
Die Regisseurin Wilma Nyari (Foto privat)
Kurzfilm „Inner Circle / Outer Circle“ (45 min.) der afrodeutschen Regisseurin Wilma Nyari. Von anti-schwarzem Rassismus betroffene Bürgerinnen und Bürger unserer Region erzählen ihre Lebensgeschichte.
Anschließend findet ein Publikumsgespräch mit den porträtierten Menschen sowie der Regisseurin statt. Der Eintritt ist frei.
Die Veranstaltung ist eine rare Möglichkeit für Nicht-Schwarze, Berührung zu den Lebensrealitäten und Perspektiven Schwarzer zu bekommen und sich mit unterschiedlichen Formen von Rassismus im Alltag und bei den Institutionen auseinanderzusetzen. Die Erfahrungen mit Rassismus und die damit verbundene Wahrnehmung und Bewältigung dieser Erfahrungen sind generationenübergreifend verschieden und häufig sehr unterschiedlich. Dies liegt auch daran, dass Afrika die Menschen anders prägt als Europa. Aufgrund unterschiedlicher Perspektiven gehen schwarze Menschen auch unterschiedlich mit den Kränkungen durch Rassismus um und entwickeln verschiedene Strategien und Widerstandsfähigkeiten.
Für die BPoC (Black and People of Colour) im Landkreis Friesland bis hin zu Wilhelmshaven, Oldenburger Land und den Küstenregionen gibt es - abseits der großen Metropolen - nur wenig Möglichkeit, sich zu vernetzen und auszutauschen.
„Trotz der erschwerten Bedingungen im ländlichen Raum ist es uns inzwischen teilweise gelungen, uns mit anderen BPoC und insbesondere mit durch anti-schwarzen Rassismus Betroffenen zu vernetzen“, erläutert Wilma Nyari.
Ein Mittel der Selbstvernetzung war auch die Entstehung des vorliegenden Films, der von der Bundeszentrale für politische Bildung, Each one teach one Berlin und dem Kulturladen Huchting gefördert wurde. Die Filmaufnahmen schufen eine biografische Erzählreise, die den Lebenswegen, Realitäten und oft schmerzvollen Erfahrungen von Afrodeutschen im ländlichen Umfeld Raum gibt. Nyari: „Die Machtstrukturen der weißen Dominanzgesellschaft sind für viele Schwarze nicht sofort erkennbar. Wer hört uns zu, wem können wir vertrauen? Was passiert mit unseren Erfahrungen? Wie und wo können schwarze Menschen im ländlichen Raum unsere Erlebnisse teilen? Wem und wo zeigen wir uns und unsere Erfahrungen?“
Solche Festhaltung Schwarzer Lebensrealitäten durch biografische Arbeit wurde von den Protagonistinnen des Films als stärkend und selbstbemächtigend wahrgenommen. Zwei von ihnen sind bereit, im GröschlerHaus ihre Erfahrungen auch persönlich zu teilen.
Wilma Nyari wuchs in Heimen auf, wo sie Gewalterfahrungen machen musste, Rassismus und Diskriminierung erlebte. Seit Jahrzehnten engagiert sie sich politisch und gesellschaftlich – zunächst in Hessen, wo sie lange lebte. Mitte der 1980er Jahre begründete sie die Initiative Schwarzer Deutscher (ISD) mit. 2021 rief sie in Wilhelmshaven das Forum Koloniales Erbe ins Leben und kuratiert hier und deutschlandweit Projekte zu Dekolonisierung, Antirasssismus und Empowerment.
Donnerstag, 29. Aug. 2024, GröschlerHaus, 19 Uhr, Eintritt frei
Der Historiker und Soziologe
Hartmut Peters (Foto privat)
Extremismus der Mitte – der Aufstieg der NSDAP im Jeverland bis zur Machtübernahme 1933
Powerpoint-Vortrag von Hartmut Peters
Es gibt nur wenige Regionen, die der NSDAP so früh und so massiv folgten wie das Jeverland. 1924 gaben ihr hier 22,6 % (Reich 6,6 %) der Wähler die Stimme, 1933 waren es dann 62,8 % (Reich 43,9 %). Aber nicht genug. Bei den Niedersächsischen Landtagswahlen 1951 machten 22,1 % der Wähler die Sozialistische Reichspartei zur zweitstärksten politischen Kraft des Jeverlands. Kurz danach wurde die NS-Nachfolgepartei vom Bundesverfassungsgericht verboten.
Hartmut Peters sieht den Schlüssel zur Erklärung nicht allein in den Rahmenbedingungen Weimars und in der begünstigenden Sozialstruktur des Jeverlands, sondern bei namhaften Exponenten der eingesessenen bürgerlichen Eliten: „Der Aufstieg war hausgemacht, getragen von Studienräten des Mariengymnasiums, leitenden Verwaltungsbeamten, dem Jeverschen Wochenblatt, Kaufleuten, Wortführern des Landvolks und den evangelischen Pastoren. Das möchte ich an Biografien und Dokumenten aufzeigen.“ Als verbindenden Kitt sieht Peters Judenhass und Ablehnung von Demokratie und kultureller Moderne quer durch beinahe alle etablierten politischen Lager. Laut Peters wurde bisher aber fast manisch nur auf die NSDAP gestarrt, während die im historischen Schatten der offenen Verbrecher operierenden Eliten der „Mitte“ ungeschoren davon kamen. Obwohl sie dieselben extremistischen Grundüberzeugungen besaßen.
Am Ende Vortrags stehen offensichtliche Unterschiede und Gemeinsamkeiten der politischen Zeiten damals und heute zur Diskussion. Der langjährige Lehrer am Mariengymnasium Jever Hartmut Peters hat die NS-Geschichte des Jeverlands und der Juden der Region erforscht und seit 1984 darüber publiziert. Seine Aufsätze sind auch über die Webseite groeschlerhaus.eu zugänglich.
Mit freundlichen Grüßen,
Hartmut Peters
(Redaktion von groeschlerhaus.eu)